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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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über Kopf und Schultern. Tief geduckt arbeitete er sich zur Straße vor. Bis auf das Zwitschern der Vögel war weit und breit kein Geräusch zu hören.
    Er erreichte die letzte Baumreihe vor dem Haus, als Anna Rielly den Schlüssel ins Schloss steckte. Gould ließ den Umhang fallen und streckte die Hand mit der Fernbedienung aus. Er machte sich bereit, über die Straße zu sprinten, falls die Entfernung zu groß sein sollte. Die Haustür ging auf, und sie trat zuerst ein. Rapp blieb noch einen quälend langen Augenblick auf der Türschwelle stehen, ehe er ihr ins Haus folgte. Gould drückte auf den Knopf, doch es passierte nichts. Er ging über die Straße und drückte erneut – doch es rührte sich immer noch nichts. Gould hatte die Zufahrt zum Haus erreicht, als er bemerkte, dass sie die Autotür offen stehen gelassen hatten. Er hielt einen Sekundenbruchteil inne, als ihm klar wurde, dass Rielly zurückkommen und die Autotür schließen würde. Er hielt den Daumen auf dem Gerät, jederzeit bereit, den Knopf zu drücken. In diesem Augenblick erinnerte er sich an Claudias Bitte, dafür zu sorgen, dass der Frau nichts passierte. Gould stieß einen lautlosen Fluch hervor.
    Direkt vor sich hatte er keinerlei Deckung – da war nichts als die offene Zufahrt und der Rasen vor dem Haus. Zu seiner Linken sah er ein paar Bäume und Büsche, und er sprintete los und begann dabei zu zählen. Er wusste, dass es noch nicht bedenklich war, wenn die Haustür eine Minute oder auch ein wenig länger offen blieb, doch er hatte nicht vor, auch nur annähernd so lange zu warten. Er würde ihr zehn Sekunden geben, nicht mehr. Bei fünf erreichte er einen Hortensienbusch und war nun bestimmt fünf Meter näher beim Haus als am Vormittag, als er die Sache getestet hatte. In diesem Augenblick bemerkte Gould, dass sich das Wetter verändert hatte. Die Luft fühlte sich schwerer an. Anstatt hinter den Hortensien zu warten, ging er los, den Blick auf die Haustür gerichtet. Er zählte gerade acht Sekunden, als er ihre Stimme aus dem Haus hörte. Sein Arm war immer noch ausgestreckt. Als er zu zählen aufhörte, drückte er den Knopf. In genau diesem Augenblick erschien sie in der Haustür. Gould hätte schwören können, dass sie einander für einen Sekundenbruchteil in die Augen sahen, ehe die Stille des Nachmittags von einer gewaltigen Explosion zerrissen wurde. Ein orange glühender Feuerball drang aus dem Haus hervor, mit dem Glassplitter, Holztrümmer und Rapps Frau durch die Luft gewirbelt wurden.
    Gould ließ sich auf ein Knie nieder und barg den Kopf zwischen den Armen. Die erste Explosion bereitete ihm kein allzu großes Kopfzerbrechen – es war vielmehr der große Propangastank, der ihm Sorgen bereitete, und er sollte recht behalten. Die zweite Explosion fiel noch viel heftiger aus als die erste, und die Erschütterung riss Gould von den Beinen. Scherben und Trümmer regneten auf ihn herab, während er sich mühsam hochrappelte. Als er die Sonnenbrille und den Helm zurechtrückte, die sich bei dem Sturz verschoben hatten, spürte er einen brennenden Schmerz am linken Arm. Als er hinunterblickte, sah er, dass die Haare am Unterarm versengt waren und sich die Haut rosa verfärbt hatte. Seine Ohren dröhnten, und er fühlte sich etwas benommen, als ihm einfiel, dass es eines gab, was er noch zu tun hatte. Er ignorierte den Schmerz und wollte zum BMW hinübergehen, um die Wanze und die Ortungsgeräte aus dem Wagen zu holen. Nach dem ersten Schritt blieb er jedoch stehen; das Auto stand in Flammen. Er zögerte einen Augenblick, und eine innere Stimme riet ihm, so schnell wie möglich zu verschwinden.
    Gould lief in den Wald zurück, nahm den Umhang und stopfte ihn in den Rucksack. Rasch hob er das Fahrrad auf und lief damit zur Straße zurück. Bevor er sich hinauswagte, blickte er sich um; die Straße war immer noch menschenleer. Er schob das Fahrrad auf die Straße hinaus und blickte zum Haus hinüber, oder zu dem, was davon noch übrig war. Das Dach und der Großteil der Garage waren weg. Bäume standen genauso in Flammen wie der BMW, und das Feuer griff weiter um sich. Gould trat kräftig in die Pedale. Die Trümmer waren über den ganzen Rasen verstreut. Neben einem Baum, etwa zehn Meter von der Haustür entfernt, sah Gould zwei Beine, die aus einem Trümmerhaufen hervorragten. Das musste Rapps Frau sein, die im Moment der Explosion in der Haustür gestanden hatte. Gould hielt es für möglich, dass sie noch lebte, doch ihn

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