Der Feind
CIA-Direktorin.
»Nein.«
»Was denn?«, wollte Rapp wissen.
»Sie haben deinen Pass eingezogen, und ich habe dem National Security Council versprochen, dich unter Schutzhaft zu stellen.«
»Warum?«, fragte Rapp mit zorniger Stimme.
»Der Vizepräsident, die Außenministerin, der Justizminister und der Direktor der National Intelligence haben den Präsidenten überredet, dich von den Ermittlungen fernzuhalten.«
»Sofern man überhaupt von Ermittlungen sprechen kann«, warf Coleman ein.
Irene Kennedy warf ihm einen Blick zu, der ausdrückte: So helfen Sie uns auch nicht weiter.
»Was ist mit den Ermittlungen?«, fragte Rapp.
»Darüber reden wir später. Zuerst muss ich dir erzählen, was mir der Präsident unter vier Augen gesagt hat. Zuerst einmal tut es ihm sehr leid wegen Anna. Du weißt, dass er sie wirklich gern hatte.«
Rapp wollte im Moment keine Beileidsbekundungen hören, und sein Gesichtsausdruck machte deutlich, dass Irene schnell zum Kern der Sache kommen solle.
»Offiziell will er nicht, dass du irgendetwas mit den Ermittlungen zu tun hast. Inoffiziell hast du grünes Licht von ihm, jeden zu töten, der hinter dieser Sache steckt.«
Rapps wachsender Zorn legte sich augenblicklich. »Dann heißt das also, ich bekomme deinen G-5 am Montag.«
Irene Kennedy schüttelte den Kopf. »Ich kann dir schon helfen, aber die Agency darf offiziell nichts damit zu tun haben.«
Rapp wandte sich Coleman zu.
Der Ex-SEAL grinste und sagte: »Ich habe einen G-3. Nicht so nett wie der G-5, aber man kommt damit auch vom einen Ort zum andern. Ich kenne außerdem ein paar Jungs, die darauf brennen, wieder mal nach Afghanistan zu kommen.«
»Montag früh«, sagte Rapp.
»Das halte ich für ein bisschen übereilt«, wandte Kennedy besorgt ein. »Du brauchst etwas Zeit, um dich zu erholen.«
Rapp schüttelte den Kopf. »Montag früh. Je länger wir warten, umso schwerer wäre es, die Kerle zu finden.« Er wandte sich wieder Coleman zu. »Du musst mir für das alles eine Rechnung stellen.«
»Ja, am Arsch«, erwiderte Coleman mit steinerner Miene.
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
»Scott, ich finde das nicht okay. Wenn du und deine Jungs so viel aufs Spiel setzt, dann müsst ihr dafür bezahlt werden.«
Coleman kannte Rapp gut genug, um zu wissen, dass er nicht nachgeben würde, bis er seinen Willen bekam. »Ich werde dir sagen, wie wir es machen. Wenn wir diese Mistkerle haben, dann teilen wir uns die zweiundzwanzig Millionen.«
»Nein, das Geld gehört dir allein. Sieh nur zu, dass Montag früh alles startklar ist.«
»Keine Sorge, die Jungs sind bereit.«
52
ALEXANDRIA, VIRGINIA
Anibal Castillo blickte auf die Karte von Loudoun County hinunter und fuhr mit dem Finger die Straße entlang. Er nickte kurz und ging dann in die Werkstatt hinaus, um zu sehen, wie weit seine Leute waren. Drei identische Chevy Suburbans waren nebeneinandergeparkt, und seine Jungs waren dabei, die Fahrzeuge bereitzumachen. Anibal Castillo hatte nicht ein einziges Jahr in einer Schule gesessen und seine Kindheit und Jugend in ärgster Armut in einem vom Krieg zerrissenen Dritte-Welt-Land verbracht, doch er war keineswegs dumm. Er war heute vierunddreißig Jahre alt und hatte nie so etwas wie Frieden erlebt. Die ersten sieben Jahre seines Lebens hatte er mit seinen Eltern und vier Geschwistern in den Ghettos von San Salvador verbracht, wo sie oft betteln mussten, um etwas zu essen zu haben. Im Jahr 1979 stürzte El Salvador in einen brutalen Bürgerkrieg, und Anibals Vater tat sein Möglichstes, seine Familie aus den Auseinandersetzungen herauszuhalten. Im folgenden Jahr wurde Erzbischof Romero ermordet, den Anibals Eltern über alles verehrt hatten. Romero war so etwas wie ein Anwalt der Armen gegen eine korrupte Regierung, und seine brutale Ermordung bewog viele friedliche Bauern, sich der linksgerichteten Guerillabewegung der Farabundo Marti para la Liberación Nacional (FMLN) anzuschließen. Auch Anibals Vater trat damals mit seiner Familie in den Kampf gegen die Streitkräfte der Regierung Duarte ein.
Anibal begann als Kurier für die Rebellentruppen, und als er groß genug war, um mit einem Gewehr umzugehen, wurde er Soldat. Wie in den meisten Bürgerkriegen, wurden von beiden Seiten Gräueltaten verübt. Anibals Mutter und zwei seiner Schwestern wurden vergewaltigt, einer seiner Brüder wurde von den Regierungstruppen gefasst, gefoltert und schließlich erschossen, und sein Vater wurde von einer Landmine
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