Der Feind
ins Haus, und Kennedy reichte ihm eine Zeitung, ehe sie in der Küche Pfannkuchen zubereitete. Während Mitch die Zeitung las, teilte ihm Irene mit, dass sein Bruder Steven angerufen hatte. Er war schon auf dem Weg von New York hierher, um ihn zu sehen. Irene schlug vor, dass sie mit ihm zum Abendessen herkommen könnte. Rapp nickte nur. Rapps Eltern lebten beide nicht mehr. Er und sein Bruder sahen sich nicht allzu oft, doch sie standen sich emotional immer noch sehr nahe. Es würde guttun, ihn zu sehen.
Problematisch wurde es, als Irene ihm von Annas Eltern erzählte. Sie waren am Tag nach der Explosion angekommen und warteten darauf, sich mit ihm zu treffen. Es galt, die Beerdigung vorzubereiten, und darüber wollten sie nun mit ihm sprechen. Es war offensichtlich, dass Rapp die Begegnung mit ihnen scheute. Gewiss gaben sie ihm die Schuld am Tod ihrer Tochter, und er konnte es ihnen nicht verdenken.
Sie frühstückten draußen am Pool. Rapp verschlang vier Pfannkuchen und drei Würstchen. Sie waren gerade mit dem Essen fertig, als Scott Coleman auftauchte. Er trat durch ein Seitentor in den Garten hinter dem Haus ein. Er war mit Jeans, Wanderschuhen, einem blauen T-Shirt und einer Baseballmütze bekleidet und hatte eine große schwarze Nylontasche geschultert.
»Ich habe ein paar Sachen eingekauft. Ich nehme an, du hast immer noch die kleinste Größe.«
Rapp beugte sich langsam vor, um die Tasche zu öffnen. Seine Rippen machten ihm doch erhebliche Probleme. In der Tasche waren einige T-Shirts, eine Wollweste, eine Sonnenbrille, Wanderstiefel, Hosen, Unterwäsche und Socken. Die Kleidung war durchwegs in gedämpften Grün- und Brauntönen gehalten. Ganz unten fand er eine nagelneue Glock-17-Pistole mit Schalldämpfer und Hohlspitzmunition.
Coleman strich Tommy über das kurz geschnittene Haar. »Wie geht’s?«, fragte er den Jungen.
»Gut.«
»Könnte ich mal eine Minute allein mit deiner Mom und Mitch sprechen?«
Tommy sah seine Mutter an. »Sicher«, antwortete er und stand auf. »Ich seh mir mal die Pferde an.«
»Sei vorsichtig«, ermahnte ihn Irene, während Tommy loslief. Der Junge forderte Shirley auf mitzukommen, und die Hündin sprang hinter ihm her.
Als er weit genug weg war, zog Rapp die Pistole aus der Tasche und hielt sie ins Licht, um sie zu begutachten. Er zog den Schlitten zurück, drehte die Waffe um und überprüfte Kammer und Lauf. Die Pistole war gut geölt und sauber.
»Danke«, sagte er, stellte die Munitionsschachtel mit hundert Patronen auf den Tisch und begann die drei Magazine zu laden.
»Haben Sie ihm wenigstens auch einen Rasierapparat mitgebracht?«, fragte Irene Kennedy.
Rapp kratzte sich die dichten Bartstoppeln.
»Du wirst dich wohl nicht so schnell wieder rasieren wollen«, erwiderte Coleman.
»Warum?«
Der ehemalige Commander von SEAL Team 6 sah Irene Kennedy an. Sie wandte sich Rapp zu und sagte: »Wir sind ein Stück weitergekommen. Der Mann, der dich ausschalten lassen wollte, ist Saeed Ahmed Abdullah.«
Rapps dunkle Augen verengten sich. »Wahids Vater?«
»Ja.«
»Wie sicher ist die Information?«
»Die Jordanier behalten aus verständlichen Gründen ihre Quelle für sich, aber sie sagen, der Mann hat sie noch nie enttäuscht.«
»Was haben wir sonst noch?«
»Gestern hat die NSA einen Anruf von Abdullah aufgespürt. Wir wissen nicht, wen er angerufen hat, aber er war ziemlich außer sich. Er sagte zu seinem Gesprächspartner, dass er den Auftrag zu Ende bringen oder die zweiundzwanzig Millionen Dollar zurückgeben solle.«
»Zweiundzwanzig Millionen«, murmelte Coleman staunend.
Sogar Rapp war von der Höhe der Summe schockiert. »Was hat der andere gesagt?«
»Das wissen wir nicht. Abdullah hat dem Betreffenden eine Nachricht hinterlassen.«
»Die Telefonnummer?«
Irene Kennedy schüttelte den Kopf. »Die haben wir leider nicht. Sie haben nur Abdullahs Stimme mitgehört.«
»Verflixt.«
»Wir versuchen es mit einem anderen Ansatz«, teilte sie ihm mit. »Sein enormer Reichtum macht es uns ein bisschen schwer, aber wir suchen nach Transaktionen im vergangenen Monat, die zusammen zweiundzwanzig Millionen ergeben.«
Rapp blickte eine Weile schweigend zu den Stallungen hinüber.
»Was denkst du?«, fragte Irene schließlich.
»Am Montagmorgen werde ich deinen G-5 brauchen.«
Rapp meinte Kennedys Executive-Jet. »Wohin willst du genau?«
»Nach Afghanistan.«
Coleman lachte kurz auf. »Sie haben es ihm noch nicht gesagt?«, fragte er die
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