Der Feind
ursprünglich für den Einsatz gegen Panzer geschaffen worden war. Als Nächstes stach Rapp ins Auge, dass die Angreifer viel zu nah beieinanderstanden und dass sie ihre Waffen aus der Hüfte abfeuerten. Rapp analysierte das Geschehen, so wie ein geschulter Kunsthändler eine Kopie eines bekannten Originals begutachtet. Aus der Entfernung scheint alles in Ordnung zu sein, doch aus der Nähe stimmen die Details plötzlich überhaupt nicht mehr. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Männer FBI-Kappen trugen. Rapp kannte eine ganze Reihe von FBI-Agenten. Sie hatten alle eine ganz bestimmte Haltung an sich, die diese Kerle hier eindeutig vermissen ließen.
Rapp streckte die Hand aus und entriegelte das Fenster. Vorsichtig schob er die untere Hälfte des Fensters auf. Der Lärm von draußen drang ebenso herein wie die kühle Nachtluft. Rapp ruhte auf dem rechten Knie, der linke Fuß stand fest auf dem Boden, die Brust war gegen die Fensterbank gelehnt. Mit einem kurzen Blick prägte er sich die Positionen der einzelnen Männer ein und hob dann seine Pistole ans Gesicht, den dicken schwarzen Schalldämpfer nach oben gerichtet. Sie waren etwa fünfzehn Meter vom Haus entfernt und standen unbewegt da, während sie auf das Haus feuerten. Nicht gerade ein Ziel, das schwer zu treffen war. Rapp holte tief Luft, steckte die linke Hand durch das offene Fenster und kam nur mit etwa einem Drittel seines Körpers aus der Deckung, als er in Schussposition ging. Er würde, wie immer, von links nach rechts vorgehen.
Er hatte solche Aufgaben schon so oft gelöst, dass er dabei nicht mehr zu denken brauchte – es war alles reiner Instinkt. Das vordere Visier fiel auf das erste Ziel, und der leuchtende grüne Punkt bedeckte die Hälfte des Kopfes. Rapp drückte den Abzug gleichmäßig durch – der Punkt blieb, wo er war –, und eine Kugel mit hohler Spitze schoss aus dem Lauf hervor. Das vordere Visier fiel sofort auf das nächste Ziel, und Rapp wiederholte den Ablauf dreimal schnell hintereinander. Nach nicht einmal zwei Sekunden lagen alle vier Männer mit einer Kugel im Kopf am Boden und rührten sich nicht mehr.
Rapp schloss das Fenster, verließ das Zimmer und eilte über den Flur in ein anderes Zimmer. Eine Explosion erschütterte das Haus, als er sich dem Fenster näherte, und er hörte, wie irgendwo im Erdgeschoss etwas zu Boden krachte. Rasch sprang er zur Seite und spähte an den schweren Vorhängen vorbei hinaus. Er zählte acht Mann, die alle so gekleidet waren wie die vier, die er gerade erledigt hatte. In der Zufahrt standen drei Suburbans mit eingeschalteten Blinklichtern.
Erneut fiel ihm die mangelhafte Taktik und Disziplin der Angreifer auf. »Wer zum Teufel sind diese Clowns?«, fragte er sich.
Im nächsten Augenblick sah er Vince Delgado, den Chef von Irene Kennedys Sicherheitsteam, am Boden liegen. Rapp nahm an, dass er tot war. Sein Gesicht spannte sich vor Wut an, und dann fiel ihm auf, dass ein Mann den anderen Befehle zurief. Er hielt eine Maschinenpistole in der rechten Hand und sah ziemlich frustriert aus. Der Kerl zeigte mit seiner Waffe auf die Westseite des Hauses und brüllte zwei seiner Männer etwas zu. Rapp handelte, bevor die beiden ihre Anweisung ausführten. Er wich von dem Fenster zurück und verließ das Zimmer. Während er rasch über den Flur eilte, nahm er den leichten Corditgeruch wahr, der wahrscheinlich von unten heraufzog. Wenn es ihnen gelang, mit all ihren Waffen ins Haus einzudringen, dann konnte es ein bisschen unangenehm werden. Rapp lief in das kleine Arbeitszimmer am Ende des Ganges und öffnete das Fenster. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er Stimmen hörte. Wenige Augenblicke später tauchten zwei Männer unter ihm auf, die sich schnell bewegten und spanisch miteinander sprachen.
Rapp runzelte die Stirn. Das alles ergab einfach keinen Sinn. Er wartete, bis die beiden Männer vorbei waren, beugte sich aus dem Fenster und jagte jedem der beiden aus etwa fünf Metern eine Kugel in den Kopf. Dann schloss er das Fenster und fragte sich, wie es kam, dass eine Gruppe von spanisch sprechenden Kerlen ihn hier aufs Korn nehmen wollte.
Er eilte in das Schlafzimmer an der Vorderseite des Hauses zurück und sah nur zwei Männer, die bei einem der Suburbans standen. Der eine hielt eine Waffe an der Hüfte wie ein gelangweilter Gefängniswärter, der andere einen Granatwerfer. Er hatte zuvor acht gesehen, minus die beiden, die er gerade getötet hatte. Das hieß, es gab mindestens noch vier
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