Der Feind
Gerät mit beiden Händen, wie um es aufzufordern, schneller zu arbeiten. Als das zweite Konto auf dem Display erschien, sprang er so jäh auf, dass der schmiedeeiserne Sessel umkippte und laut auf den Steinboden knallte. Abel ignorierte den Kellner, der gekommen war, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Er eilte unter leisen Flüchen ins Hotel zurück, und die Adern auf seiner Stirn traten hervor, während er mit den Daumen die Tastatur bearbeitete, um eine Bestätigung der furchtbaren Nachricht zu bekommen. Er rief das dritte Konto auf und danach das vierte. Als er seine Suite erreicht hatte, gab es keinen Zweifel mehr. Alle fünf Konten waren leer. Sein Kontostand war überall null. Auf einen Schlag waren elf Millionen Dollar verschwunden.
Abel ging in der luxuriösen Suite auf und ab, die ihn 1200 Dollar pro Nacht kostete. Er stieß einen frustrierten Schrei aus, ehe er schließlich seine Fassung wiederfand. Es galt jetzt, nüchtern und sachlich zu überlegen. Hier musste ein Fehler vorliegen, der sich bestimmt irgendwie beheben ließ. Er kannte die betreffenden Banker persönlich. Was hier passiert war, konnte einfach nicht sein. Nun, vielleicht aber doch. Saeed war ein milliardenschwerer Mann. Wenn er wollte, konnte er bestimmt beträchtlichen Druck auf eine Bank ausüben. Die Schweizer gingen in Streitfällen stets sehr vorsichtig vor. Abel hatte von Situationen gehört, in denen sie Geld auf ein Treuhandkonto transferiert hatten, bis die beiden Parteien ihre Unstimmigkeiten beigelegt hatten.
Abel war noch nie so wütend gewesen. Er hatte seine Zukunft perfekt geplant, und er würde sich nicht von einem Amateur wie Saeed übertölpeln lassen. Letztlich saß er am längeren Ast und nicht Saeed oder Rashid. Er war niemand, ein professioneller Spion, der jederzeit untertauchen konnte. Das konnten die beiden Saudis nicht.
Abel öffnete den Safe und schaltete sein verschlüsseltes Satellitentelefon ein. Er wählte die Nummer von Rashids Büro in Riad. Als sich ein Assistent meldete, stellte sich Abel vor und machte klar, dass er genau zehn Sekunden warten würde, um den Prinzen ans Telefon zu bekommen. Wenn es länger dauern sollte, würde er auflegen. Abel wusste, dass Rashid ihn suchte, und ging recht in der Annahme, dass das Gespräch augenblicklich durchgestellt wurde.
Er war bei neun, als sich der Prinz meldete.
»Mein Freund, wo waren Sie die ganze Zeit? Wir haben viel zu besprechen.«
»Da haben Sie verdammt recht«, erwiderte Abel in einer Weise, wie er noch nie mit Rashid gesprochen hatte. »Sagen Sie Saeed, dass er bis spätestens zum Geschäftsschluss heute Abend das Geld auf mein Konto zurücküberweisen soll, sonst wird Mitch Rapp erfahren, dass er es war, der den Auftrag gegeben hat, ihn zu töten.«
»Da kommen Sie ein bisschen spät«, entgegnete Rashid in ernstem Ton.
»Was meinen Sie damit?«, fragte Abel.
»Saeed wurde bei einer Explosion getötet.«
»Wann?«
»Vor einer Stunde.«
»Wo?«
»Vor seinem Büro.«
»Von wem?«
»Was glauben Sie?«
»Ich habe keine Ahnung«, brummte Abel wütend.
»Mitch Rapp.«
Abel blieb verdutzt stehen. »Das ist unmöglich.«
»Offensichtlich nicht.«
Abel spürte, wie es in seinem Kopf schmerzhaft zu hämmern begann. »Ich will mein Geld zurück«, platzte er schließlich heraus.
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Die elf Millionen Dollar, die mir Saeed überwiesen hat, um Rapp zu töten.«
»Rapp lebt aber noch.«
»Das ist mir egal. Unsere Vereinbarung war so, dass ich die Anzahlung behalten darf, egal, ob der Auftrag ausgeführt wird oder nicht. Ich will mein Geld zurück.«
»Kommen Sie nach Riad, dann reden wir über alles.«
»Rashid, lassen Sie den Quatsch. Ich werde nie wieder einen Fuß in Ihr Land setzen.« Abel hatte noch nie so respektlos mit dem Prinzen gesprochen.
»Dann kommen Sie nach Spanien. Ich fliege noch heute Abend nach Granada. Dann können wir über Ihr Geld sprechen, und auch darüber, was wir mit Rapp machen sollen.«
»Nein«, erwiderte Abel mit Nachdruck. »Sie werden mir bis heute, siebzehn Uhr Züricher Zeit, elf Millionen Dollar überweisen, sonst erzähle ich Rapp, dass das Ganze Ihre Idee war.«
Es folgte längeres Schweigen, ehe Rashid sagte: »Seien Sie kein Narr. Wenn Sie das tun, unterschreiben Sie Ihr eigenes Todesurteil.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich bin niemand. Ein Mensch, der jederzeit verschwinden kann. Aber Sie sind der mächtige und reiche Prinz Muhammad bin
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