Der Feind
Schweizer Außenminister hat Beatrice heute Vormittag angerufen«, Ross zeigte auf Außenministerin Berg, »und er war wegen Ihres unangemeldeten Besuchs ziemlich ungehalten.«
»Was wollte er denn?«
»Er wollte wissen, warum zum Teufel Sie einfach so in sein Land kommen und sich mit fünf der wichtigsten Banker treffen.«
Justizminister Stokes beugte sich vor. »Ich habe gerade einen wichtigen Fall, der vor den Schweizer Gerichten verhandelt wird«, warf er ein. »Wenn Sie uns das vermasselt haben, dann bekommen wir beide große Probleme miteinander, das verspreche ich Ihnen.«
Stokes war sichtlich aufgebracht. Kennedy vermutete, dass er und Ross sich gegenseitig in ihrem Zorn hochgeschaukelt hatten. Sie waren die beiden Karrieristen, die höchstwahrscheinlich vorhatten, eines Tages für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Kennedy fand es interessant, dass sich Außenministerin Berg fürs Erste heraushielt.
»Wissen Sie schon, was heute in Riad passiert ist?«, fragte Ross.
»Ja.«
»Wissen Sie irgendetwas darüber?«
»Das ist keine sehr konkrete Frage.«
»Wissen Sie, wer dafür verantwortlich war?«
»Vielleicht.«
»Würden Sie es uns vielleicht mitteilen?«
»Nein.«
»Verdammt, Irene«, stieß Ross wütend hervor, »das ist kein Spiel.« Er schlug eine Mappe auf, die er auf dem Couchtisch liegen hatte. Darin befand sich ein Schwarzweißfoto von einer Überwachungskamera. »Das hier hat mir Prinz Muhammad geschickt.«
Ross drehte das Foto herum, damit sie es sehen konnte. Auf dem Bild war ein Mann in der traditionellen saudiarabischen Kleidung zu sehen, der eine Straße entlangging. Er hatte den Arm ausgestreckt und zeigte der Kamera den Mittelfinger. Kennedy studierte das körnige Foto. Der Mann hatte wohl die richtige Größe, aber sonst war unmöglich zu erkennen, um wen es sich handelte.
»Irgendeine Ahnimg, wer das ist?«
Kennedy schüttelte den Kopf.
Ross schob ihr wütend ein weiteres Foto zu. Auf diesem Bild waren zwei Männer zu sehen, die im Begriff waren, sich zu umarmen. »Der Mann links ist Wahid Ahmed Abdullah. Ich nehme an, Sie wissen wenigstens, wer das ist?«
Kennedy nickte.
»Warum haben wir der saudi-arabischen Regierung vor einem halben Jahr gesagt, dass er tot ist?«
»Ist das der Wahid Ahmed Abdullah, der eine Spitzenposition in der Al-Kaida innehatte?«, fragte Kennedy in gespielter Verwirrung. »Der Wahid Ahmed Abdullah, der an der Finanzierung und Planung eines Terroranschlags mitgewirkt hat? Eines Anschlags, für den zwei Atomwaffen in dieses Land geschmuggelt wurden?« Sie studierte das Foto. »Der Wahid Ahmed Abdullah, der Washington und New York City in die Luft jagen wollte?«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
»Sie die meine auch nicht. Haben Sie die Akte über Wahid gelesen?«
»Das brauche ich nicht zu tun. Ich will wissen, warum wir einen unserer loyalsten Verbündeten belügen.«
»Wenn Sie Saudi-Arabien allen Ernstes für einen unserer loyalsten Verbündeten halten, dann würde ich bei allem Respekt vorschlagen, dass Sie unverzüglich Ihren Rücktritt einreichen.«
Ross’ Gesicht rötete sich vor Zorn. »Und ich würde vorschlagen, dass Sie ein bisschen besser achtgeben, was Sie sagen, Dr. Kennedy. Sie bewegen sich auf sehr dünnem Eis.« Ross blickte erneut zum Präsidenten hinüber, wie um auszudrücken: Ich habe es Ihnen ja gesagt. Er wandte sich wieder Irene Kennedy zu und fragte: »Wo ist Mitch Rapp?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie lügen«, brüllte Ross und zeigte auf das erste Foto der Überwachungskamera. »Das ist er. Was haben wir Ihnen gesagt? Es gibt einen richtigen Weg, die Sache zu regeln, und einen falschen. Dass da ein Mann einen privaten Rachefeldzug unternimmt und Bomben in Saudi-Arabien hochgehen lässt, ist ganz eindeutig der falsche Weg.«
Kennedy griff nach dem dritten und letzten Foto. Sie hielt es hoch, damit Ross und die anderen es sehen konnten. »Wer ist dieser Mann hier? Der, den Wahid umarmen will?«
»Das ist Saeed Ahmed Abdullah«, antwortete Ross gereizt. »Wahids Vater und einer der engsten Freunde von Prinz Muhammad bin Rashid.«
»Ach ja?«, sagte Kennedy in gespieltem Staunen. Ross hatte sich soeben ein lupenreines Eigentor geschossen. Sie öffnete ihre eigene Mappe und nahm ihre Unterlagen über bestimmte Finanztransaktionen zur Hand. »Ist es vielleicht der Saeed Ahmed Abdullah, der in diesem Monat einem ehemaligen ostdeutschen Stasi-Offizier zwanzig Millionen Dollar gezahlt hat, damit er
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