Der Feind
sich Mitch Rapp wirklich unbedingt zum Feind machen wollen.«
»Ist das eine Drohung?«
Kennedy zuckte die Achseln. »Es ist eine Tatsache. Diese Leute haben seine Frau ermordet. Er wird sich nicht zurückpfeifen lassen. Er wird jeden töten, der damit zu tun hat, und wenn er herausfindet, dass Sie auf der Seite der Saudis stehen, während wir eindeutige Beweise haben, dass Saeed zwanzig Millionen Dollar gezahlt hat, um ihn umzubringen … na ja … sagen wir mal, dann wäre ich nicht so gern in Ihrem Sicherheitsteam.«
Kennedy öffnete die Tür und ging.
70
Keiner rührte sich von der Stelle. Ross stand wie eine Statue vor der Couch. Sein Gesicht war gerötet und seine Hände zu Fäusten geballt. Er blinzelte einige Male, unschlüssig, ob er Irenes Drohung ernst nehmen sollte oder nicht.
»Sie hat mir gerade gedroht! Das ist einfach unerhört.« Alle Anwesenden hatten Rechtswissenschaft studiert, was in der Politik heutzutage sehr oft der Fall war. Justizminister Stokes war jedoch der Einzige, der einen Gerichtssaal von innen gesehen hatte. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Sie hat nur ihre Meinung darüber geäußert, was Rapp tun könnte. Es war keine Drohung.«
Das war nicht die Antwort, die Ross von seinem Freund erwartet hatte. Er wandte sich dem Präsidenten zu. »Ich kann nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten. Es muss etwas geschehen.«
»Setzen Sie sich, Mark«, redete ihm Präsident Hayes beruhigend zu. Seit er von seiner Krankheit wusste, war Hayes nachdenklicher geworden. Er hatte nicht mehr den Drang und den Schwung, jede Debatte lenken und gestalten zu wollen. Stattdessen hatte er eine Strategie für sich entdeckt, die viel produktiver war. Er lehnte sich zurück und hörte zu. Sollten doch die Superegos, von denen er umgeben war, ihre Kämpfe austragen. In den vergangenen achtundvierzig Stunden war er zu dem Schluss gekommen, dass Ross tatsächlich der falsche Mann für den Job war, doch es kam überhaupt nicht infrage, ihn auszutauschen. Ein Mann wie Ross würde nicht still und leise gehen. Er würde sich den Medien anvertrauen und es sich zur Aufgabe machen, Irene Kennedy zu vernichten. Das hatte sie nicht verdient, und Hayes wollte auch nicht, dass sie durch solche Dinge von ihrer wichtigen Arbeit abgelenkt wurde. Es war Zeit, die Egos ein wenig zu bremsen und sie daran zu erinnern, für wen sie arbeiteten.
»Ich möchte eines klarstellen«, begann Hayes. »Wenn Mitch Rapp nicht wäre, dann wäre diese Stadt vor einem halben Jahr durch einen Atomschlag vernichtet worden. Das bedeutet, dass so ziemlich jeder hier im Raum ums Leben gekommen wäre.« Hayes hielt kurz inne, um jedem von ihnen in die Augen zu sehen. »Was er auf sich genommen hat, um den Terroranschlag zu vereiteln …« – Hayes schüttelte den Kopf und sprach den Satz nicht zu Ende – »… Sie würden gar nicht wissen wollen, was er alles tun musste, aber ich kann Ihnen versichern, schön war es nicht. Wir verdanken dem Mann unser Leben, und das ist keine Kleinigkeit.«
»Das weiß ich, aber …«
Der Präsident hob die Hand, um Ross am Weitersprechen zu hindern. »Ich bin noch nicht fertig«, erwiderte er mit fester Stimme. »Wir alle sind entweder gewählt oder ernannt. Das bedeutet, dass unsere Zeit in unseren Ämtern begrenzt ist. Bei Kabinettsmitgliedern sind es im Schnitt drei Jahre, ein Präsident oder Vizepräsident hat vier, wenn er Glück hat, auch acht Jahre. Leute wie Kennedy und Rapp widmen ihr ganzes Leben dem Kampf gegen den Terror. Sie haben schon dagegen gekämpft, als den meisten von uns noch gar nicht bewusst war, dass wir uns in einem Krieg befinden.« Hayes hielt inne und faltete die Hände über dem Knie. »Ich persönlich finde, sie verdienen in so einer Situation unsere Unterstützung.«
»Aber Bob«, wandte Ross ein, »die Sache ist doch wohl ein bisschen komplizierter. Hier stehen unsere internationalen Beziehungen auf dem Spiel. Wir können es nicht zulassen, dass ein Angehöriger der CIA herumläuft und Leute in die Luft jagt.«
»Das können wir nicht?«, fragte Hayes provokant.
»Nein!«, antwortete Ross empört.
Hayes musterte ihn und nickte langsam. »Wissen Sie, was ich denke«, sagte er schließlich, »ich denke, wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika, und wir sollten auch dementsprechend handeln.«
Die drei Kabinettsmitglieder starrten ihn an, unschlüssig, was sie sagen sollten. Der Vizepräsident war sich ohnehin bewusst, dass es besser war, zu schweigen.
»Wenn die Saudis
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