Der Feind
im ersten Stock, wo einige Leute ausstiegen. Im zweiten Stock stieg zuerst ein Mann aus, und Sarah wartete einen Augenblick, ehe sie ebenfalls den Aufzug verließ.
»Vergiss nicht deine Ausweichmöglichkeiten«, rief ihr Milt in Erinnerung. »Wenn es beim Büro nicht gut aussieht, dann hast du eine Toilette und eine Treppe am Ende des Ganges.«
Das Haus hatte einen U-förmigen Grundriss und einen Innenhof. Sarah folgte dem Gang bis zum Ende und bog dann rechts ab. Abels Büro mit der Nummer 318 würde in dem Gang vor ihr auf der linken Seite liegen. Bis jetzt war die Luft rein. In der rechten Manteltasche hatte sie einen kleinen schwarzen Gegenstand von der Form einer Pistole. In Wirklichkeit handelte es sich um einen Lockpick. Sie würde nicht einmal zwei Sekunden brauchen, um sich Einlass zu verschaffen. Als sie um die Ecke bog, spürte sie bereits, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Vor ihr, etwa auf der Höhe von Abels Büro, stand eine kleine Gruppe von Leuten. Sarah sah sie sich genau an und blickte dann auf ihre Zeitung hinunter. Über den Knopf im Ohr hörte sie bereits Milts Anweisung.
»Es wäre gut, wenn du langsam vorbeigehst, ohne stehen zu bleiben.«
Genau das hatte Sarah auch vorgehabt. Sie blickte erneut auf und zählte drei Leute. Alles Männer, der eine sehr groß und zwei von durchschnittlicher Größe. Sie blickte wieder auf ihre Zeitung hinunter und verlangsamte ihre Schritte ein wenig. Sie hatte zu ihrer Linken immer noch vier Türen vor sich. Sarah blickte kurz auf, als sie am nächsten Büro vorbeikam, damit Milt über ihre Kamera die Türnummer erkennen konnte. Es war Nummer 312. Die Männer standen also vor Abels Büro. Ihr Puls beschleunigte sich, und sie fragte sich, ob Milt es schon registriert hatte.
Sie hörte seine ruhige Stimme in ihrem kabellosen Ohrhörer. »Ich glaube, wir haben ungebetenen Besuch. Könntest du mir ihre Gesichter aus der Nähe zeigen und dann zur Damentoilette weitergehen?«
Sarah folgte der Anweisung. Als sie nur noch vier Schritte von der Gruppe entfernt war, blickte sie auf und lächelte. Jetzt erst sah sie, dass da auch eine Frau bei den drei Männern stand. Sarah konnte nur ihr blondes Haar erkennen, das zwischen den Männern hervorschien. Im nächsten Augenblick traten die beiden Männer, zwischen denen sie stand, näher zusammen, sodass die Frau hinter ihnen verschwand. Die Körpersprache und die Gesichter der Männer waren absolut auffällig. Sie schienen wütend darüber zu sein, dass Sarah es auch nur wagte, sie anzusehen. Sarah wusste augenblicklich, dass sie Saudis waren.
Rapp beugte sich über Milts Schulter, als er die Videoaufnahme zurückspulte. Milts Finger glitten über das Touchpad, während er mit Sarah sprach, die schon einmal eine schlimme Erfahrung mit irgendwelchen saudischen Geheimdienstoffizieren gemacht hatte. »Ich weiß, dass du sie hasst. Bleib bitte ruhig.«
»Ich schwöre dir«, kam die aufgebrachte weibliche Stimme aus dem kleinen Lautsprecher, »wenn sie zu mir in die Toilette kommen, bringe ich sie um.«
»Sarah«, erwiderte Milt ruhig, »es wäre mir wirklich lieber, wenn du niemanden umbringen würdest.« Milt hielt die Videoaufnahme an einer Stelle an, an der die drei Männer besonders deutlich zu sehen waren. Einer von ihnen war groß gewachsen, die anderen durchschnittlich. Milt blinzelte mehrere Male. »Also, ich glaube es nicht«, stieß er schließlich hervor.
»Was?«, fragte Rapp.
Milt wechselte zum dritten Computer, der den Stadtplan zeigte, und öffnete eine Datei, die Langley ihm im Laufe der Nacht geschickt hatte. Er hatte bisher nicht daran gedacht, sie Rapp zu zeigen. Ein Phantombild erschien auf dem Bildschirm. Es zeigte eindeutig den groß gewachsenen Mann vor Abels Büro, an dem Sarah soeben vorbeigegangen war.
»Wer ist er?«, fragte Rapp.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Milt achselzuckend. »Das Bild kam mit einer Nachricht für dich herein. Demnach ist das hier der Mann, der die Salvadorianer angeheuert hat.«
Plötzlich war Rapp klar, was hier ablief. »Welche nichttödlichen Waffen hast du hier?«, fragte er mit Nachdruck.
»Wir haben Taser.«
»Wo?«
»In dem schwarzen Kasten dort drüben.«
Rapp hob den Kasten auf, stellte ihn aufs Bett und öffnete ihn. Er nahm eine der Betäubungspistolen heraus und warf sie Coleman zu.
»Los, gehen wir.«
»Funkgeräte!«, rief ihnen Milt nach. Er nahm zwei kleine abhörsichere Digitalfunkgeräte, drahtlose Mikrofone und winzige
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