Der Feind
Rapp kein Wort davon verstand, gab er das Buch einem von Milts Leuten, damit er es zur eingehenderen Analyse nach Langley schickte. Es war ein alter Trick des KGB, Bücher als Anleitung zur Entschlüsselung von codierten Botschaften zu verwenden. Im Safe befand sich außerdem eine 9-mm-Pistole mit Schalldämpfer. Rapp inspizierte die Waffe und betrachtete sie von allen Seiten. Sie war makellos, aber nicht, weil sie kürzlich gereinigt worden wäre, sondern weil man, wie Rapp schätzte, keine hundert Schuss mit ihr abgegeben hatte. Es fanden sich zudem einige verschlüsselte CDs, die Rapp sogleich Milt schickte, damit er sie zusammen mit Marcus Dumond in Langley analysieren konnte. Ansonsten enthielt der Safe noch einige Unterlagen, 10000 Euro in bar sowie einen gefälschten Reisepass mit dazu passender Kreditkarte. Alles in allem war da nichts, woraus man hätte schließen können, wo sich Abel gerade aufhielt.
Rapp hatte kurz versucht, den groß gewachsenen Kerl zu verhören, doch er begann wie wild zu schreien, sodass er ihm mit dem Pistolengriff einen Hieb auf den Hinterkopf versetzen musste, um ihn zum Schweigen zu bringen. Der Mann war gerade im Begriff, wieder aufzuwachen, und Rapp wartete schon ungeduldig darauf, einen weiteren Versuch mit ihm zu starten. Er musste unbedingt herausfinden, für wen der Kerl arbeitete.
Coleman trat zu ihm und tippte ihm auf die Schulter. »Ich glaube, du solltest auch mal mit ihr sprechen«, sagte er.
»Was gibt’s?«
»Sie redet von einem Haus, von dem wir noch nichts gewusst haben – ein Haus irgendwo in den Bergen. Ich schätze, ihr Chef zieht sich gelegentlich dorthin zurück.«
»War sie schon einmal dort?«
Coleman schüttelte den Kopf. »Ich denke, dass er kaum darüber spricht, aber im Laufe der Jahre hat sie wahrscheinlich das eine oder andere aufgeschnappt.«
»Weiß sie, wo es ist?«
»Nicht genau, aber sie sagt, dass es in Österreich liegt, in der Nähe einer Stadt namens Bludenz.«
Bevor Rapp fragen konnte, wo zum Henker Bludenz lag, hörte er Milt Johnsons Stimme aus seinem Funkgerät. »Mitch, bist du da?«
Rapp hatte den Ohrhörer herausgenommen und das Funkgerät am Gürtel befestigt. Er griff danach und drückte die Sprechtaste. »Was gibt’s, Milt?«
»Habe ich dir schon erzählt, dass der Typ erst vor einer Woche einhundertfünfundzwanzig Riesen für einen nagelneuen Mercedes ausgegeben hat?«
»Nein.«
»Nun, ich habe es gerade herausgefunden.«
Rapp starrte das Funkgerät an und schüttelte dann den Kopf. »Und – soll ich jetzt beeindruckt sein?«
»Noch nicht. Du sollst mich fragen, wie ich es herausgefunden habe.«
»Milt, wie hast du das herausgefunden?«
»Gut, dass du mich das fragst. Diese High-End-Limousinen haben alle schon ein GPS-System eingebaut. Wir haben uns in die Mercedes-Datenbank eingeklinkt, haben die Fahrzeugnummer eingegeben, die wir von der Zulassung haben, und jetzt sind wir am GPS-Sender des Wagens dran. Ich habe mich heute Morgen mit der NSA in Verbindung gesetzt, und sie haben mir gerade mitgeteilt, wo der Wagen ist.«
»Lass mich raten … er steht am Vienna International Airport.«
»Nein. Er war in Zürich geparkt, aber vor sechs Minuten hat er sich in Bewegung gesetzt.«
Rapp überlegte kurz. »Wohin ist es unterwegs?«, fragte er schließlich.
»Nach Süden, mehr haben sie nicht gesagt. Stadtauswärts.«
Rapp zögerte kurz, ehe er auf die Sprechtaste drückte. Er kannte Zürich recht gut und versuchte sich vorzustellen, wie es südlich der Stadt aussah. Der See lag jedenfalls direkt im Süden. Von dort ging es entweder ostwärts oder westwärts weiter. Er drückte auf die Sprechtaste. »Fährt der Wagen nach Südosten oder Südwesten?«
Es dauerte einige Sekunden, ehe Milt antwortete: »Südosten.«
Rapps Gedanken eilten ein Stück voraus. Im Südosten lag entweder die österreichische Grenze oder Italien. »Milt, ich komme gleich rüber. Besorg mir bitte einen schnellen Hubschrauber.«
Rapp beendete das Gespräch und sah Coleman an. Er zeigte auf den gefesselten Saudi am Boden. »Ihn nehmen wir mit. Sag den Jungs, sie sollen die Kiste schnell wieder heraufbringen und ihn runter in den Van tragen.«
78
WESTÖSTERREICH
Abel machte sich keine Sorgen, dass irgendwelche Ortungsgeräte in seinem Wagen installiert worden sein könnten. Das Auto war neu und in einer Garage in der Stadt abgestellt gewesen, während er weg war. Niemand konnte wissen, dass der Wagen hier gestanden hatte. Nach den vielen
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