Der ferne Spiegel
Bundesgenossen in Meaux und erlitten ein ähnliches Blutbad. Nur wenige, die sich in den Wäldern versteckten, entkamen den Schwertern der verfolgenden Ritter. Die umliegenden Dörfer lieferten Flüchtige an den Adel aus. Insgesamt fielen den Kämpfen in dieser Region »dreitausend« Bauern zum Opfer, unter ihnen
dreihundert, die in einem Kloster verbrannt wurden, in das sie sich geflüchtet hatten. Und um seinen Sieg vollständig zu machen, ließ Karl von Navarra Guillaume Cale köpfen, angeblich, nachdem er ihn in grausamem Hohn mit einem glühenden Eisenring zum König der Jacques gekrönt hatte.
Als der erbarmungslose Unterdrückungsfeldzug gegen die Bauern nach Norden schwappte, trat Enguerrand de Coucy als sein neuer Führer in Erscheinung, da sein Besitz im Zentrum des Sturms lag. Froissart berichtet, daß sich die Jacques nie wieder sammeln konnten, weil »der junge Sire de Coucy eine große Anzahl Edelmänner um sich versammelt hatte, die ihnen, wo immer sie sie fanden, ohne Gnade und Nachsicht ein Ende machten«. Daß ein so junger Mann die Führung übernehmen konnte, spricht für einen starken Charakter, aber mehr ist in dieser Episode nicht über Enguerrand zu erfahren. Auch die Chronique Normande und andere Berichte erwähnen ihn als unerbittlichen Bauernjäger. Alles, was wir über den Enguerrand dieser Zeit wissen, faßt Père Denifle, die historische Autorität des 19. Jahrhunderts, zusammen: »Es war vor allem Enguerrand VII., der junge Seigneur de Coucy, der an der Spitze der Adligen seiner Baronie die Ausrottung der Jacques vollendete.« [Ref 144]
An dem Blut von Meaux erstarkt, bereitete der Adel der Region dem Aufstand der Bauern zwischen Seine und Marne ein schmähliches Ende. »Sie warfen sich auf kleine Marktflecken und Dörfer, zündeten sie an und verfolgten die verängstigten Bauern in ihre Häuser, über die Felder, Weinberge und durch die Wälder, um sie elend hinzuschlachten.« Bis zum 24. Juni 1358 waren »zwanzigtausend« Jacques getötet, und das Land war in eine Wüstenei verwandelt.
Der vergebliche Aufstand war vorüber; er hatte trotz des großen Schattens, den er auf das Land warf, nur vier Wochen gedauert, wovon zwei schon auf die Niederschlagung entfielen. Nichts war gewonnen, nichts hatte sich geändert, viele waren gestorben. Wie jede Erhebung des Jahrhunderts war auch diese gescheitert, sobald die Herrschenden entschlossen zurückschlugen mit dem Gewicht des Stahls und der Überlegenheit des Mannes auf dem Pferderükken. Ohne jeden Gedanken an die Folgen ließen die Landbesitzer,
die nach dem Schwarzen Tod schon unter dem Mangel an Arbeitskräften litten, ihrer Rachgier die Zügel schießen – gegen ihr eigenes Interesse.
Im darauffolgenden Monat erreichten die Auseinandersetzungen in Paris ihren Höhepunkt und ihr Ende. Seit dem Tag von Poitiers hatte Marcel die Stadtmauern verstärken, Gräben ausheben, die Tore sichern und neue Verteidigungsanlagen bauen lassen. Die befestigte Hauptstadt war der Schlüssel zur Macht. Marcel, von dem einzigen Gedanken beherrscht, den Regenten zu entmachten, bot Karl von Navarra die Stadt an. Der aalglatte Navarra verhandelte mit beiden Seiten und hielt Kontakt zu englischen und navarresischen Truppen außerhalb der Stadtmauern.
Auf einer Massenveranstaltung, die Marcel für ihn auf der Place de Grève organisiert hatte, sagte Karl der Menge, »daß er König von Frankreich geworden wäre, wenn seine Mutter ein Mann gewesen wäre«. Organisierte Gruppen riefen: »Navarra! Navarra! « Während die Mehrheit, schockiert von dem Treuebruch, schwieg, wurde Navarra durch Akklamation zum Hauptmann von Paris gewählt. Daß er ein Amt aus den Händen der Volkspartei annahm, entfremdete ihm viele seiner adligen Anhänger, denn sie wollten sich nicht »gegen den Adel« stellen. Wahrscheinlich fiel zu dieser Zeit Enguerrand de Coucy von der navarresischen Partei ab, denn kurze Zeit danach trat er als deren Gegner auf.
Marcels Rückhalt zerging wie Schnee in der Frühjahrssonne. Sein stillschweigendes Einvernehmen mit den Jacques hatte viele der »guten Städte« verängstigt und, schlimmer noch, ihm den Unmut der Pariser Besitzbürger eingetragen. In dem Chaos der Erhebung war der Handel zum Erliegen gekommen, und in ihrer verzweifelten Suche nach Autorität wandten sie sich wieder dem Regenten zu. Die Stadt Paris zerfiel in verschiedene, sich gegenseitig bekämpfende Fraktionen: Eine wollte bis zum Ende mit Marcel kämpfen, eine andere
Weitere Kostenlose Bücher