Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
Vom Netzwerk:
einen Penny erleichtert wurden, wenn sie sagten, daß sie dem Herrn von Coucy gehörten«. Wenn sie beraubt wurden, bevor ihre Zugehörigkeit festgestellt werden konnte, wurde ihnen ihr Besitz zurückerstattet. Ein französischer Ritter, der Chevalier de Chin, nutzte dies auf recht unritterliche Weise aus, indem er unter einem Coucy-Banner in ein grimmiges Gefecht in der Picardie ritt. Er verursachte große Verwunderung unter den Engländern, die sagten: »Wie kommt es, daß der Lord Coucy Männer gegen uns schickt, da er doch unser Freund sein sollte?« Aber das Vertrauen in seine Ehre war so groß, daß sie von sich aus das Banner als Fälschung bezeichneten und darauf verzichteten, Rache gegen Coucys Ländereien zu nehmen »und dort zu brennen oder Schaden anzurichten«. [Ref 214]
    Es war König Karls sorgfältig entworfene Strategie, einer Entscheidungsschlacht auszuweichen und durch militärische Nadelstiche Druck auf den Feind auszuüben, dies in konzentrierter Form vor allem in Aquitanien. Um Kastilien wieder an die Seite Frankreichs zu bringen, schickte er Du Guesclin 1369 erneut nach Spanien – mit spektakulärem Erfolg. In einer »herrlich großen und erbitterten Schlacht«, wie Froissart schreibt, kämpften die Halbbrüder Heinrich II. von Taramastra und König Peter der Grausame mit ihren Streitäxten gegeneinander, »und jeder rief seinen Schlachtruf«. Schließlich wurde Peter überwältigt und gefangengenommen. Froissart zieht grundsätzlich die ritterliche Version vor, aber nach einem spanischen und möglicherweise besser informierten Chronisten war die Gefangennahme eine weniger ruhmvolle Angelegenheit. In einer Burg eingeschlossen, bot Peter Du Guesclin sechs Lehen und 200 000 Golddublonen an, wenn er ihm freies Geleit gewährte. Du Guesclin gab vor, einverstanden zu sein; Peter verließ heimlich die Burg, wurde von seiner französischen Begleitung festgenommen und Heinrich übergeben. Als er seinem Halbbruder gegenüberstand, »legte Peter die Hand an sein Messer und hätte ihn ohne Gnade getötet«, wenn nicht ein geistesgegenwärtiger Franzose ihn am Bein gepackt und umgeworfen hätte, worauf Heinrich ihn mit einem Dolchstoß tötete – und sich so die Königskrone wieder sicherte.

    Für Frankreich bedeutete dies eine unschätzbare Verstärkung durch die kastilische Seemacht und für England neue Furcht vor einer Invasion. Danach traf die Engländer ein Unglück nach dem anderen. Der Schwarze Prinz wurde durch eine ansteckende Ruhr, die sich unter den Gasconen und Engländern ausbreitete, außer Gefecht gesetzt. Dieser Krankheit folgte mit grausamer Ironie die Wassersucht; mit geschwollenen Gliedern war der Schwarze Prinz »durch die Krankheit so niedergedrückt, daß er kaum auf dem Pferde sitzen konnte«, und als er schwerer und schwächer wurde, konnte er nicht mehr aufsitzen und war ans Bett gefesselt. Für den Inbegriff des kriegerischen Ritters, für diesen Mann der Tat und des Stolzes war die demütigende Krankheit im Alter von 38 Jahren unerträglich, dies um so mehr, als die Lage in Aquitanien zusehends schwieriger wurde. Der Prinz verfiel der Übellaunigkeit und der Wut. Noch bevor diese ihren tragischen Gipfel erreichten, erhob sich das nächste Unheil. [Ref 215]
    Unter dem Einfluß eines erwachenden Nationalgefühls gehorchten viele französische Adlige den Aufforderungen der Krone, kleine Kompanien von zwanzig, fünfzig oder hundert Reisigen zu bilden, um Städte und Burgen in den abgetretenen Gebieten zurückzuerobern. In einem solchen Gefecht stieß im Frühjahr des Jahres 1370 Sir John Chandos, der englische Seneschall dieser Region, mit einer Truppe von etwa dreihundert Mann bei Lussac auf einer hochgewölbten Brücke der Vienne mit einer französischen Streitmacht zusammen. Er saß ab, um zu Fuß zu kämpfen, und betrat die Brücke, um dem Feind entgegenzugehen, »das Banner vor ihm und seine Truppe hinter ihm, den Schild mit seinem Wappen am Arm und das Schwert in der Hand«. Auf dem taufeuchten Pflaster des frühen Morgens rutschte er aus und stürzte, ein Schwerthieb traf ihn von der Seite seines blinden Auges her, so daß er ihn nicht hatte kommen sehen. Das Schwert drang zwischen Nase und Stirn ein, denn aus irgendeinem unerklärlichen Grund hatte er sein Visier nicht geschlossen. Mit ingrimmiger Wut schlugen seine Leute die Feinde zurück, um sofort nach der Schlacht mit mittelalterlicher Gefühlsoffenheit in Tränen auszubrechen. Sie sammelten sich um ihren

Weitere Kostenlose Bücher