Der ferne Spiegel
enormer Ausgaben für Lebensmittel und Ausrüstung, für Sold und Unterhalt war der König gezwungen, das Unternehmen aufzugeben.
Die Technologie des Mittelalters schuf Wunder an Architektur, sie fand die Mechanik des Webstuhls und eine Getriebewelle, die die Kraft des Windes in die Drehung eines schweren Mühlsteines
umsetzte, aber sie schaffte es nicht, das Vorsegel, das Besansegel und den seitlich beweglichen Großbaum zu entwickeln, der es erlaubt hätte, die Segel der Windrichtung anzupassen. Durch solche Zufälle des menschlichen Geistes werden Krieg, Handel und Geschichte geformt.
Das maritime Fiasko führte indirekt zum tragischen Schicksal von Englands drittem großem Soldaten, dem Hauptmann de Buch. Während Eduards Flotte vor der Küste auseinandergetrieben wurde, eroberten die Franzosen La Rochelle und sein Hinterland, und im Verlauf dieser Kämpfe wurde der Hauptmann gefangengenommen. Er fiel bei Nacht einer franko-kastilischen Expeditionstruppe in die Hände. Obwohl er machtvollen Widerstand leistete, wurde er im Schein der Fackeln überwältigt. Im Gegensatz zur ritterlichen Tradition ließ Karl V. ihn in Paris ins Gefängnis werfen, ohne ihm das Privileg der Auslösung zuzugestehen. Das Schicksal des Hauptmanns de Buch wurde zum Wunder und Schrecken der gesamten Ritterschaft. [Ref 217]
Karl V. war der politische Zweck wichtiger als der Kult des Rittertums. Des Hauptmanns Verrat nach der Schlacht von Cocherel 1364, als er zunächst auf die französische Seite übertrat und dann wieder zu den Engländern zurückging, hatte Karl nie vergeben. Das Herz des Hauptmanns de Buch gehörte seinem alten Waffengefährten, dem Schwarzen Prinzen, und als die Feindseligkeiten zwischen Frankreich und England 1369 wieder aufflammten, erklärte er seine Lehnspflicht dem französischen König gegenüber für nichtig, gab seine Besitzungen an die Krone zurück und schloß sich den Engländern an. Karl war jetzt entschlossen, ihm keine Möglichkeit mehr zu geben, in den Krieg zurückzukehren.
Obwohl König Eduard anbot, drei oder vier französische Gefangene mit Lösegeldern, die 100 000 Franken wert waren, gegen den Hauptmann auszutauschen, lehnte Karl es ab, den furchtlosen Gasconen auslösen zu lassen, der doch immerhin der Retter von Karls Frau und Familie bei Meaux war. Während der Hauptmann im Kerker schmachtete, bestürmten französische Adlige den König immer wieder, einen tapferen Ritter nicht im Gefängnis sterben zu lassen, aber Karl sagte, der Hauptmann sei ein so starker Krieger, daß er frei, in den Kampf zurückzukehren, viele französische
Städte und Burgen zurückerobern würde. Deshalb wolle er ihn nur freilassen, wenn er »französisch würde«, was der Hauptmann ablehnte. Als ein weiteres Mal eine Abordnung von Rittern, diesmal unter der Führung von Coucy, dem König eine Petition zugunsten des Hauptmanns übergab, überlegte Karl eine kurze Zeit und fragte dann, was er tun solle. Coucy antwortete: »Sire, wenn Ihr ihn auffordertet zu schwören, nie wieder die Waffen gegen die Franzosen zu erheben, könntet Ihr ihn freigeben, und es wäre zu Eurer Ehre.«
»Wir werden es tun, wenn er zustimmt«, sagte der König, aber der abgemagerte und geschwächte de Buch antwortete, »er werde niemals einen solchen Eid ablegen, stürbe er auch im Gefängnis«. In dem Bewußtsein, nie wieder sein Schwert, sein Pferd oder die Freiheit wiederzusehen, verfiel der Hauptmann der Schwermut, wollte nichts mehr essen oder trinken, sank langsam in die Umnachtung und starb im Jahre 1376 nach vier Jahren Gefangenschaft. [Ref 218]
Nach Eduards gescheiterter Expedition unternahmen die Engländer noch einmal den Versuch einer Invasion. Eine neue Armee, die wahrscheinlich vier- oder fünftausend Mann stark war (trotz der »zehntausend« und »fünfzehntausend« der Chronisten), wurde aufgestellt. Geführt von Johann von Gaunt, dem jungen Herzog von Lancaster, überquerte die Armee den Ärmelkanal auf dem Weg nach Calais im Frühsommer 1373 mit dem Auftrag, nach Aquitanien zu marschieren und die englischen Truppen dort zu entsetzen. Es wurde der längste und seltsamste Marsch des ganzen Krieges.
Obwohl er behauptete, die offene Feldschlacht suchen zu wollen, in der die Engländer noch immer gesiegt hatten, nahm der Herzog von Lancaster nicht die direkte Route nach Süden, auf der er den Truppen Du Guesclins begegnet wäre, sondern schlug einen enormen Bogen um Paris herum. Es war ein lang hingezogener Beute- und
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