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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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allen Männern«. Karl V. ließ für seinen verstorbenen Feind ein Requiem in der Sainte Chapelle lesen, an dem er und der ganze französische Hochadel teilnahmen.
    Der Tod des Prinzen markierte den Wendepunkt zugunsten Johanns von Gaunt, des Herzogs von Lancaster. Noch in den letzten Tagen seiner Sitzung proklamierte das Parlament den jungen Richard als Thronfolger. Es war eine gegen Johann von Gaunt gerichtete
Vorsichtsmaßnahme. Dann ging das Parlament nach einer Sitzung von 74 Tagen, der längsten bis dahin überhaupt, auseinander. Seine spektakulären Leistungen wurden in dem Augenblick weggewischt, als die Mitglieder sich über das Land verstreuten, denn es gab keine permanente Organisation oder eigenständige Behörde, die den Willen des Unterhauses hätte repräsentieren können. Seine Reformen waren nicht in Statuten umgewandelt worden und wurden durch die Regierung, die nun die uneingeschränkte Macht wiedergewann, in der Praxis für nichtig erklärt. Durch Gunsterweise oder Drohungen zog Lancaster die Lords, die gegen ihn opponiert hatten, auf seine Seite. Nur der Graf von March entzog sich ihm und wurde gezwungen, als Marschall zurückzutreten. Seinen Platz nahm sein früherer Verbündeter Sir Henry Percy ein, der zu dem Herzog von Lancaster übergelaufen war.
    Die Lords besaßen im Grunde keine politischen Prinzipien, und das war der Schlüssel zu dem Zusammenbruch. Johann von Gaunt erklärte die gesamte parlamentarische Sitzung als ungültig, setzte Lord Latimer und sein Gefolge wieder ein, entließ den neuen Rat und rief den alten zurück, ließ Sir Peter de la Mare festnehmen und ohne Gerichtsverhandlung ins Gefängnis werfen und verbannte den Bischof William von Wykeham vom Hof, als der es wagte, zu protestieren. Als er auch noch Alice Perrers zurückholte und diese ihre Macht über den König erneuerte, waren die Bischöfe, die sich mit dem Unterhaus verbunden hatten, »wie Hunde, die nicht bellen können«.
    Außer dem »Impeachment« hinterließ die Arbeit des Guten Parlaments kaum eine konstitutionelle Spur. Trotz allem: Dadurch, daß es den Willen der Mittelklasse so kraftvoll vertreten hatte, war die kurze Stunde des Unterhauses zu einer politischen Lektion geworden, die im Volk Wurzeln schlug.
     
    Coucy, der Zeuge der Unruhen in England geworden war, kehrte im Sommer oder Herbst 1376 nach Frankreich zurück. Da sein Besuch in die Zeit der Krise fiel, ist es unwahrscheinlich, daß er eine klare Aussage über die Bedingungen, die England zur Beendigung des Krieges akzeptieren würde, mitbrachte, aber er konnte seinem König sicherlich von einer zerrissenen und verletzlichen englischen
Nation berichten. Froissart sagt, er habe Karl V. geraten, nicht auf das Ende des Waffenstillstands zu warten, sondern schon jetzt eine Invasion Englands vorzubereiten, denn »die Engländer sind niemals so schwach oder so leicht zu besiegen wie zu Hause«.
    Noch bevor Coucy England verließ, wurde König Eduard sehr krank, und » all seine Ärzte verzweifelten und wußten nicht, wie sie ihn behandeln sollten und welche Medizin er brauchte«. Obwohl er sich bald erholte, war deutlich, daß sich seine Herrschaft ihrem Ende zuneigte und damit auch die Stunde von Coucys Entscheidung gekommen war. Ob Isabella mit ihm nach Frankreich zurückging oder bei ihrem dahinsiechenden Vater blieb, ist nicht überliefert. Aus Respekt für seinen Schwiegervater erklärte sich Coucy noch immer nicht öffentlich für Frankreich, aber sofort nach seiner Heimkehr übernahm er eine diplomatische Mission an den Hof des Grafen von Flandern, die sich deutlich gegen englische Interessen richtete. Coucy war jetzt auch Mitglied des königlichen Rates und wurde aufgrund seiner Umsicht und Diplomatie von Karl V. sehr geschätzt. Seine Tochter und Erbin Marie trat zu dieser Zeit in den Haushalt der Königin ein, die ihre Erziehung übernahm, zusammen mit der des Dauphins und seiner Brüder und Schwestern. Die Archive zeigen, daß Coucy im April 1377 2000 Franken zu Lasten seiner Pension überwiesen wurden, damit er mehrere seiner Burgen mit Armbrüsten ausrüsten konnte, um vorbereitet zu sein, falls der Krieg wieder ausbrechen sollte. [Ref 236]
    Karl V. versuchte nach wie vor, dieses Unheil zu verhindern, und entsandte wiederum Coucy, neue Verhandlungen mit England aufzunehmen, dieses Mal ohne die königlichen Herzöge, um sich die Kosten ihrer aufwendigen Anwesenheit zu ersparen. Während der nächsten sechs Monate trafen sich die

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