Der ferne Spiegel
Delegationen in Montreuil, Calais und in der Mitte zwischen diesen beiden Städten in Boulogne. Die englische Gesandtschaft setzte sich aus Männern zusammen, die Coucy sehr wahrscheinlich kannte, entweder von seinem letzten Besuch oder von früheren Begegnungen. Unter ihnen war der Vormund des Thronfolgers, Sir Guichard d’Angle, ein kühner, vielbewunderter Gascone, der den Schwarzen Prinzen auf vielen seiner Feldzüge begleitet hatte; außerdem Sir Richard
Stury, dem Lancaster sein Amt zurückgegeben hatte; Lord Thomas Percy, ein Veteran der französischen Kriege und Bruder von Sir Henry Percy; der Graf von Salisbury und schließlich ein treuer Diener des Hofes, der zu Lancasters Umgebung zählte, Geoffrey Chaucer.
Die langen Verhandlungen von 1377 schulten Coucy in allen Dreh- und Angelpunkten der englisch-französischen Beziehungen – Angebote und Gegenangebote und komplizierte Wechselgeschäfte, in die Schottland, Kastilien, Calais, eine neue Dynastie für Aquitanien unter einem Sohn Eduards III., der sich dann von England lossagen sollte, einbezogen wurden. Wie immer, seit der Krieg begonnen hatte, trugen die Legaten des Papstes ihre intensiven Meditationen bei. Obwohl die Franzosen die bessere Ausgangsposition innehatten, konnten die Engländer nicht dazu gebracht werden, in ihrer Schwäche und Unentschlossenheit einen Kompromiß anzunehmen, nicht einmal die von den Franzosen ins Gespräch gebrachte Heirat des Prinzen Richard und der siebenjährigen Tochter König Karls, Marie. [Ref 237]
Die erste Verhandlungsrunde ging zu Ende, ohne Fortschritte erzielt zu haben. Einen Monat später trat man wieder zusammen. Zweimal wurde der Waffenstillstand, der offiziell am 1. April auslief, erneuert, um die Verhandlungen am Leben zu erhalten. Die Gesandten stritten erbittert in langen Arbeitssitzungen. Welche Rolle spielte Coucy dabei, welche Chaucer? Ihre Beiträge sind verloren; es gab keine Aufzeichnungen, weil die Diskussionen, besonders die um die Heirat, geheim waren.
Die Franzosen machten viele Vorschläge einschließlich der offiziellen Übergabe von zwölf Städten in Aquitanien (die England bereits hielt), wenn Eduard bereit war, Calais und alles, was er in der Picardie erobert hatte, zurückzugeben; entweder das, sagten sie, »oder sonst nichts«. Die Engländer lehnten hartnäckig ab, da sie davon ausgingen, daß ein Brückenkopf im Norden Frankreichs ihnen die Rückkehr und die Wiedergewinnung dessen, was sie verloren hatten, erlauben würde.
Noch während der Verhandlungen spitzte sich die Situation in England erneut zu. Lancaster hatte die Unzufriedenheit unterdrückt, aber keineswegs beschwichtigt. Zwar stimmte ein neues
Parlament, das er in der Mehrheit mit seinen Anhängern besetzt hatte, gehorsam seinen Anträgen auf Subsidien zu, aber die Bischöfe waren nicht so zugänglich, und Wyclif wurde zum Hauptziel ihres Aufbegehrens. Noch hatte er seine Angriffe auf das Priestertum nicht veröffentlicht, aber seine Schriften zur weltlichen Herrschaft und zur Enteignung der Kirche waren ketzerisch genug. Obwohl sein Ruf nach Reformen in der Geistlichkeit und sein Antipapismus unter den Klerikalen auch Unterstützung fanden, war die Kirche nicht bereit, passiv auf die Enteignung zu warten. Erzbischof Sudbury und der Bischof Courtenay von London riefen Wyclif vor eine Konvokation, um sich für seine ketzerischen Predigten zu verantworten. Der immer wieder aufbrechende Kampf von Jahrhunderten zwischen der Krone und der Kirche äußerte sich nun im Februar des Jahres 1377 in einem lärmenden Spektakel in der St.-Paul’s-Kathedrale.
Lancaster hoffte, die Bischöfe durch Laientheologen diskreditieren zu können. Er beauftragte vier Professoren der Theologie mit Wyclifs Verteidigung und besuchte selbst mit dem Marschall, Sir Henry Percy, und dem bewaffneten Gefolge der beiden die Anhörung in der Kathedrale. Eine große Menge aufgeregter Bürger, die durch Gerüchte erzürnt waren, daß Lancaster der Stadt das traditionelle Recht, die Ordnung aufrechtzuerhalten, nehmen und es dem Marschall übertragen wollte, füllten St. Paul’s. Bischof Courtenay war in London beliebt, der Herzog nicht. Der Zorn der Bürger erhöhte sich noch, als die Wachen Leute beiseite stießen, um für den Herzog und den Marschall Platz zu machen. Dem folgte ein lautstarker Streit, als Courtenay sich weigerte, Wyclif auf Aufforderung des Herzogs einen Stuhl zuzugestehen. Der junge und energische Bischof, selbst Sohn eines Grafen und
Weitere Kostenlose Bücher