Der ferne Spiegel
erklärte sich Philipp van Artevelde selbst zum Regenten von Flandern. Alle Städte unterwarfen sich seiner Herrschaft, »und er ernannte dort neue Bürgermeister, Stadträte und erließ neue Gesetze«. Er übernahm alle Attribute der Adelsherrschaft: Trompeten kündigten sein Kommen an, ein Banner, das drei Silberhüte zeigte, wurde vor ihm hergetragen, und Spielleute sangen an seiner Tür. Er kleidete sich in Purpur und speiste vom Silber des Grafen, das ihm als Beute zugefallen war.
Wiederum wie in den Zeiten seines Vaters stießen die Interessen Frankreichs und Englands in Flandern zusammen. Louis de Male appellierte an die Franzosen, insbesondere an seinen Erben und Schwiegersohn, den Herzog von Burgund, ihm zu Hilfe zu kommen. Artevelde bot den Engländern ein Bündnis an. Das englische Unterhaus war im Interesse des Wollhandels dafür, auch weil die Flamen wie sie selbst im Schisma auf der Seite Urbans standen. Papst Urban selbst erklärte jede Expedition zugunsten der flämischen Städte zu einem Kreuzzug, was hieß, daß klerikales Einkommen für die Kosten in Anspruch genommen werden konnte. Trotz dieser Vorteile zögerte der englische Adel, sich mit Rebellen zu verbünden, und während er noch schwankte, ging die Gelegenheit vorüber.
Im April war der Herzog von Anjou nach Italien aufgebrochen, nachdem es ihm auf ungeklärte Weise gelungen war, genug Geld zusammenzutragen, um neuntausend Mann auszuheben und sie auszurüsten. Seine Zelte und seine persönliche Ausstattung war »die luxuriöseste, die ein Herr jemals sein eigen nannte«. Die Krone hatte weniger Glück mit einer neuerlichen Forderung auf Geld von Paris. Der König hielt sich zu dieser Zeit in Meaux an der Marne auf. Wiederum wurde Coucy als Unterhändler entsandt, um mit den Parisern zu sprechen, denn »er konnte besser mit ihnen umgehen als jeder andere«. [Ref 297]
Von niemandem begleitet als den Mitgliedern seines Haushaltes, betrat Coucy die feindliche Stadt, wo er anscheinend gut angesehen war und freundlich aufgenommen wurde. Er ging zunächst in seine eigene Residenz, das kürzlich angekaufte Hôtel Cloître St. Jean in der Nachbarschaft der Place de Grève. Dort rief er die bürgerlichen Führer zusammen und tadelte sie »vorsichtig und mit Weisheit« um die Bösartigkeit, mit der sie Beamte des Königs getötet und seine Gefängnisse aufgebrochen hätten. Dafür könnte der König sie teuer bezahlen lassen, wenn er wollte, aber er hatte nicht den Wunsch, dies zu tun, da er Paris als die Stätte seiner Geburt liebte und er die Hauptstadt seines Reiches »und seine ihm wohlgesonnenen Einwohner nicht zerstören wollte«. Coucy sagte, er sei gekommen, dem Streit zwischen den Bürgern und ihrem Herrscher ein Ende zu machen, und versprach, den König und die
Herzöge zu drängen, »die Bürger großmütig für ihre bösen Taten zu begnadigen«.
Diese antworteten, daß sie nicht den Wunsch hätten, gegen den König Krieg zu führen, daß aber die Steuern aufgehoben werden müßten, zumindest was Paris betraf. Wenn sie von Steuern freiblieben, würden sie dem König »in jeder Weise« zur Seite stehen. Coucy griff das sofort auf und fragte: »In welcher Weise?« Sie sagten, sie würden in die Hand eines ausgewählten Empfängers jede Woche eine bestimmte Summe zum Unterhalt von Soldaten zahlen. Als Coucy fragte, wieviel sie zahlen würden, erwiderten sie: »Die Summe, auf die wir uns einigen können.«
Coucy gelang es ohne Schwierigkeiten, sie durch »schöne Reden« auf ein anfängliches Angebot von 12000 Franken festzulegen, das als Gegenleistung für eine Amnestie aufgefaßt wurde. Dies wurde vom König akzeptiert, aber die Bedingungen, unter denen er nach Paris zurückkommen wollte, bezeugten die Nervosität des Hofes: Das Volk von Paris sollte die Waffen niederlegen, die Sperrketten der Straßen sollten nachts nicht geschlossen werden, solange der König in der Stadt war, und sechs oder sieben vornehme Bürger sollten als Geiseln nach Meaux geschickt werden. Als die Bedingungen der Bürgerversammlung von Paris vorgelegt wurden, wiesen die Maillotins sie zornig zurück und forderten mit Flüchen und Drohungen die Kaufleute auf, sich ihnen anzuschließen. Mit großem Widerwillen brachten sechs Bürger die Ablehnung nach Meaux – sie ständen, sagten sie dem Hofe, unter dem Druck der großen Wut des Volkes.
Jetzt entschied sich die Regierung, Gewalt zu gebrauchen. Reiterabteilungen wurden entsandt, die stromaufwärts gelegenen
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