Der ferne Spiegel
mit dem Kennerblick eines Valois die Kathedralenuhr abmontieren, die schönste in ganz Flandern, und sie mit einem Ochsenkarren nach Dijon transportieren (wo sie sich noch heute befindet). Als der König abzog, wurde Courtrai auf seinen Befehl in Brand gesteckt, »damit niemand je vergißt, daß der französische König hier war«. Clisson, der seine normale Grimmigkeit wiedergefunden hatte, war angeblich an dieser Entscheidung nicht unbeteiligt.
Der totale Sieg hatte einen größeren Schönheitsfehler. Gent, das eigentliche Ziel des Feldzugs, wurde nie eingenommen. Auf die ersten Nachrichten von der Niederlage ihrer Armee war die Bevölkerung schockiert und verzweifelt. Wenn die Franzosen zu dieser Zeit vor den Toren erschienen wären, »hätte man sie ohne Widerstand eingelassen«. Aber die mittelalterliche Kriegführung hatte die Tendenz, politische Ziele zu vernachlässigen. Der Kälte und des Regens müde, beschäftigt mit Beute und Rache in den Tagen nach Roosebeke und zuversichtlich, daß Gent in jedem Falle kapitulieren würde, versäumten es die Franzosen, sofort nach Norden zu ziehen.
Peter van den Bossche gelang es trotz seiner Wunden, sich nach Gent durchzuschlagen, und er gab der Stadt neuen Mut. Er sagte
den Bürgern, daß die Franzosen im Winter nicht kommen würden und daß Gent im Frühjahr mit neuen Männern »mehr verrichten könne als je zuvor«, auch ohne die Hilfe der Engländer. Diese hatten, sobald sie von der Niederlage der Flamen hörten, die Verhandlungen abgebrochen – »nicht sehr bekümmert« über diesen Ausgang. Bei einem Sieg der Flamen, fürchteten sie, hätte »der große Stolz der Gemeinen« einen neuen Aufstand in ihrem Land ermutigt.
Als die Franzosen wenig später in Verhandlungen mit Gent eintraten, wiesen die Bürger es »so hart und stolz« zurück, sich dem Grafen von Flandern zu unterwerfen, als hätten sie den Sieg errungen. Sie waren nur bereit, die Stadt der direkten Souveränität des französischen Königs zu unterstellen. Der Graf und, was wichtiger war, der Herzog von Burgund, der Thronerbe, lehnten ab. Nun – Ende Dezember – war es zu spät, die Belagerung zu wagen. Somit begnügten sich die Franzosen damit, in Flandern mit der Ausnahme von Gent die alte Ordnung wiederhergestellt zu haben – auch wenn es ihnen nicht gelungen war, die Flamen zu Papst Klemens zu bekehren –, und zogen nach Hause. Sie hatten in Paris einiges zu regeln. [Ref 301]
In der ersten Januarwoche des Jahres 1383 lagerte die königliche Armee vor Paris. Sendboten traten vor den Bürgervorsteher und die Magistraten und forderten die Unterwerfung der Stadt. Die Krone war offenbar bereit, die Armee, die durch den Sieg von Roosebeke noch gestärkt war, gegen Paris einzusetzen, wenn ihre Autorität herausgefordert wurde. Bretonische und normannische Kompanien wurden im Halbkreis bis dicht an die Stadt herangelegt. Daraufhin marschierte eine gewaltige Streitmacht von Parisern in einer verzweifelten Machtdemonstration, die lange vorbereitet war, mit Armbrüsten, Schilden und Hämmern vor die Tore und trat vor Montmartre in Schlachtaufstellung an. In aller Vorsicht entsandte die Krone zunächst eine Delegation, die den Constable und Coucy einschloß und Stärke und Absicht der Pariser auskundschaften sollte. Auf ihre Fragen antworteten die Gemeinen, daß sie wünschten, dem König ihre Stärke zu zeigen, die er, da er jung sei, nie gesehen habe. Man befahl ihnen streng, zurückzukehren
und die Waffen niederzulegen, wenn sie den König in ihren Mauern zu sehen wünschten. Die Bürger, deren Demonstration nur eine Verhüllung ihrer seit dem Ausgang von Roosebeke gewachsenen Mutlosigkeit war, gehorchten widerstandslos. Trotzdem wurde der königlichen Armee befohlen, in kriegerischer Aufmachung – das heißt in voller Rüstung – in die Stadt einzureiten.
Coucy und der Marschall Sancerre wurden vorausgeschickt, um die Stadt zu öffnen. Sie ließen die Tore aus den Angeln heben und die Straßenketten abnehmen. Die Torflügel wurden auf die Straße geworfen, damit der König über sie hinwegreiten konnte – »den Stolz der Stadt niederzutreten«, wie der Mönch von St. Denis traurig erklärte. Bestürzung und Zorn erhoben sich unter den Bürgern, die Wachen aufstellten und sagten: »Noch ist nicht Friede. Der König hat das Land von Flandern geplündert und zerstört, und er wird dasselbe in Paris tun.« Um die Unruhe im Keim zu ersticken, riefen Herolde auf den Straßen aus, daß den
Weitere Kostenlose Bücher