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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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für die Tore; Kunsttischler und Holzschnitzer, um die Decke der Adlerkammer, die kleine Kapelle und das Ankleidezimmer des Sire de Coucy auszukleiden und um Ausziehvorrichtungen für den großen Bankett-Tisch herzustellen; Schmiede, um alte Schlüssel und Schlösser, Riegel und Türangeln zu erneuern, besonders um ein neues Schloß an den Schmuckkasten in der kleinen Kapelle des Seigneurs anzubringen; Klempner, um die Küchensiele und Abflußrohre zu löten; Maler und Schneider aus Paris, um die Wände zu schmücken und die »rot-weißen Hauben der Coucy-Livreen neu zu füttern«.
    Ein großer Teil des nicht verpachteten Landes, das spricht aus den Wirtschaftsbüchern, die noch vorhanden sind, bestand aus Weinbergen, die beträchtlichen Aufwand für das Pflanzen, Kultivieren und die Ernte erforderten, aber dem Seigneur auch einen beträchtlichen Profit einbrachten. Andere Kosten waren die Löhne der Vögte und Steuereinnehmer, die Beiträge zum Unterhalt der Kaplane der beiden Kapellen, Ausgaben für das Räuchern von Fischen, das Auffüllen des Viehbestandes, das Schlagen von Feuerholz, das Mähen und Heumachen auf den Feldern, den Einkauf von Kleidung und Ausrüstung für den Seigneur und sein Gefolge. Coucy unternahm seine Reisen nach Soissons und an andere Orte gemeinhin in Begleitung von etwa achtzig Rittern, Knappen und
berittenen Dienern sowie einem Astronomen, Maître Guillaume de Verdun, der »bestimmte Notwendigkeiten für ihn« versah.
    Die zweite Heirat war nicht viel fruchtbarer als die erste, was etwas über Coucys eheliche Beziehungen oder vielleicht auch nur seine häufigen Abwesenheiten aussagen mag. Kein Sohn zur Fortsetzung der Dynastie wurde ihm geboren und nur eine Tochter. Sie wurde nach ihrer Mutter Isabelle genannt und heiratete schließlich den zweiten Sohn des Herzogs von Burgund. An einem nicht genau bekannten Tag wurde ihm aber der ersehnte Sohn doch noch geboren – unehelich. Er hieß Perceval und wurde Bastard von Coucy genannt; es ist überliefert, daß er 1419 heiratete, was darauf hinweist, daß er aus einer späten Liaison seines Vaters hervorging. Von seiner Mutter ist nichts bekannt. Sie mag eine Rivalin von Coucys Frau gewesen sein oder eine Nebenfrau während seines späteren Dienstes als Generalleutnant von Aquitanien. Offenbar war sie Coucy nicht unwichtig, oder er war stolz auf den Sohn oder beides, denn er erkannte die Vaterschaft an und überließ Perceval die Herrschaft in Aubermont, ein Lehen der Grundherrschaft von La Fère. Der Bastard durfte sich danach Sieur de Coucy und Seigneur d’Aubermont nennen. [Ref 322]
    Im Jahr der vielen Heiraten, 1385/86, war Coucy auch Gast der Hochzeit seines Habsburger Verwandten und früheren Feindes Herzog Albrecht III. in Dijon. Albrecht heiratete eine Tochter Philipps des Kühnen. Dies war auch das Jahr des historischen Sieges von Sempach, wo die Spieße tragenden Schweizer die Habsburger schlugen, und es ist möglich, daß Coucys Anwesenheit in Dijon auf ein Hilfeersuchen der Habsburger an ihn zurückging. Auf jeden Fall war sein Streit mit der Familie seiner Mutter anscheinend beigelegt. »Wie immer, vertrugen sie sich schließlich wieder«, schrieb der Entdecker des Dokuments, das Coucys Anwesenheit in Dijon belegt.
     
    Das schottische Fiasko konnte die französischen Angriffspläne nicht entmutigen. Im Gegenteil, nun faßte man eine große Invasion Englands ins Auge, ein wirkliches Eindringen, vielleicht eine zweite normannische Eroberung. Es gab im Adel eine weitverbreitete Überzeugung, daß einzig ein militärischer Sieg der Franzosen
den Krieg beenden und die Vorherrschaft des französischen Papstes durchsetzen konnte. Außerdem war bekannt, daß in England große Uneinigkeit herrschte, daß der Adel nicht mehr zum König stand, sondern tief unzufrieden war. Anfänglich war der Herzog von Burgund der entschiedenste Befürworter des Invasionsplanes, aber als die Entscheidung im April 1386 getroffen wurde, stimmte der königliche Rat geschlossen für das Unternehmen. Viele der Räte waren noch dieselben Männer wie unter Karl V., aber sein alles kontrollierender Sinn für die Kunst des Möglichen war verloren. Aus dem »Trümmerhaufen« von Poitiers und der Zeit danach hatte Karl V. gelernt, seinen Ehrgeiz den Möglichkeiten anzupassen; die Herrschaft seines Sohnes aber wußte nichts von solcher Disziplin. Eine folie de grandeur oder auch jene »Träume der Allmacht«, die die Megalomanie definieren, ergriffen die Franzosen,

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