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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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ohnehin auf den Einfluß Clissons auf den König eifersüchtig
waren und ihn um seine engen Beziehungen zu Coucy und Rivière beneideten, wandten sich gegen jede Aktion, die Clissons Geltung erhöhen könnte. Mitten in diesen Kampf platzte eine andere Krise.
    Ein frecher, junger Angeber, der Herzog von Geldern, ließ durch einen Herold Karl VI. eine erstaunliche und unverschämte Herausforderung übermitteln, in der er sich zum Verbündeten Richards II. von England erklärte und damit zum Feind, der bereit war, »Euch, der Ihr Euch König von Frankreich nennt«, zu trotzen. Sein Brief war adressiert einfach an Karl von Valois. Diese überhebliche, prahlerische Geste eines kleinen deutschen Fürsten, des Herrschers eines schmalen Landstrichs zwischen der Maas und dem Rhein, nahm der Hof wie vom Donner gerührt entgegen. Sie hatte aber natürlich einen Hintergrund: Der Herzog von Geldern hatte sich gegen einen guten Preis zum Vasallen des Königs von England erklärt, und seine Herausforderung des französischen Königs war zweifellos ein von den Engländern inspirierter Nadelstich. [Ref 334]
    Karl VI. war begeistert von den ritterlichen Möglichkeiten, die in dieser Herausforderung lagen. Er überschüttete den Herold mit Geschenken und freute sich darauf, den Ruhm seines Namens in einem persönlichen Krieg zu vergrößern und »neue und weitentfernte Länder« zu sehen. Angesichts zweier Herausforderungen, aus der Bretagne im Westen und Geldern im Osten, debattierte der Rat lange darüber, was zu tun war. Einige der Räte meinten, Gelderns Geste sollte als reine »fanfaronade« betrachtet und ignoriert werden, aber wiederum bestand Coucy darauf, daß nicht nur die Würde der Krone, sondern auch die des Adels herausgefordert sei. Er trat im Rat mit Nachdruck dafür ein, daß fremde Länder die Adligen Frankreichs verachten würden, wenn der König solche Beleidigungen einfach überginge. Vielleicht meinte er auch, daß Frankreich etwas unternehmen müßte, nachdem der Angriff auf England zweimal abgeblasen worden war. Die Tatsache, daß er den Fall offensichtlich persönlich nahm, beeindruckte seine Zuhörer, und sie stimmten überein, daß er »die Deutschen besser verstand als irgend jemand sonst, da er gegen die Herzöge von Österreich gekämpft hatte«.

    Dieses Mal fand Coucy im Herzog von Burgund einen Verbündeten, da dieser sich nachdrücklich für einen Feldzug gegen Geldern aussprach. Zwischen Flandern und Geldern lag das Herzogtum Brabant, in dessen Politik sich Philipp in expansionistischer Absicht tief eingemischt hatte. Er ermutigte die Kriegsbegeisterung des Königs, um Frankreich auf den Feldzug gegen Geldern festzulegen, aber der Rat bestand darauf, zunächst reinen Tisch mit der Bretagne zu machen, da sonst die Gefahr bestand, daß Montfort, sobald der König und seine Adligen gegen Geldern zogen, den Engländern die Bretagne öffnete. [Ref 335]
    Rivière und der Admiral de Vienne, die zu Unterhandlungen mit Montfort ausgesandt wurden, stießen auf dessen mürrische Weigerung, nachzugeben. Der Herzog sagte lediglich, daß er nur bereue, dem Constable das Leben geschenkt zu haben. Auch wollte er sich für den Bruch des Gastrechts nicht entschuldigen, »denn ein Mann sollte seinen Feind ergreifen, wo immer er kann«. Einige Monate der Auseinandersetzung zwischen den Parteiungen am Hofe folgten, Coucy übte weiterhin Druck auf den königlichen Rat aus, etwas zu unternehmen. Die Streitfrage hing weiter in der Luft, als das Jahr zu Ende ging, das zumindest einen Unruhestifter für immer mit sich nahm: die alte Giftschlange Karl von Navarra.
    Nach einem letzten Giftmordanschlag – dieses Mal gegen die Herzöge von Burgund und Berry – starb Karl von Navarra unter entsetzlichen Umständen. Krank und vor der Zeit gealtert – er war 56 –, wurde er auf Anraten der Ärzte nachts in Tücher gewickelt, die mit Weinbrand getränkt waren, um ihn zu wärmen und zum Schwitzen zu bringen. Um sie an ihrem Platz zu halten, wurden die Wickel jeden Abend zusammengenäht und fingen eines Nachts Feuer, als sich ein Diener mit einer Kerze über seinen Herrn beugte, um einen Faden durchzuschneiden. Unter den Schmerzensschreien des Königs gingen die alkoholgetränkten Tücher an seinem Körper sofort in Flammen auf; er lebte danach noch zwei Wochen in großer Qual, bevor er hinschied.
    Im neuen Jahr beschloß der Rat in einem neuerlichen Versuch, Montfort zur Vernunft zu bringen, Coucy, der ein früherer Schwager

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