Der ferne Spiegel
wegen seiner genauen Kenntnis des Gebiets war Coucy damit beauftragt worden, die Adligen dieser Gegend zusammenzuziehen und den Feldzug zu planen. Der direkte Weg hätte durch Brabant geführt, aber die Städte und der Adel des Herzogtums hatten gedroht, keine französische Armee passieren zu lassen, da das mehr Unheil für das Gebiet bedeute, als »ein Feind im Land« anrichten könne.
Notgedrungen wurde die Entscheidung getroffen, durch den dunklen, unwegsamen Wald der Ardennen zu marschieren, den, wie Froissart in verängstigter Übertreibung vermerkte, »noch nie zuvor ein Reisender durchquert hatte«. Dieses Vorhaben machte es notwendig, Kundschafter auszusenden, um die Route festzulegen. Ihnen folgte dann eine Vorhut von zweitausendfünfhundert Mann, die einen Weg freizuhauen hatte. Das aber war eine technische Aufgabe, die kaum weniger schwierig als die Konstruktion der transportablen Stadt war. Die Kosten wurden durch die Verdreifachung der Steuern für Salz und Handel aufgebracht; dabei war es schwierig, diesen Feldzug als Beitrag zur Verteidigung des Königreiches auszugeben. Wahrscheinlich wurde Coucy aus diesem Grund aufgefordert, den Feldzug in seinem eigenen Namen zu organisieren, so als ob er erneut zu einer Unternehmung gegen die Habsburger rüstete. Der Name des Königs sollte aus dem Spiel bleiben. [Ref 339]
Unter der Führung von Coucy brach eine Vorhut von tausend Lanzen auf; ihnen folgte der König mit dem Hauptheer und »zwölftausend« Gepäckwagen, die Packtiere nicht gezählt. Unterwegs wurde Coucy mit einer Mission nach Avignon betraut, die wahrscheinlich den Plan betraf, für Papst Klemens Rom zu erobern, eine Idee, von der die Franzosen immer noch besessen waren. »Zur Freude der gesamten Armee« kehrte Coucy innerhalb eines Monats zurück. Da die Strecke jeweils 500 Meilen betrug, war das ein energisches Reisetempo.
In Geldern wurde wenig und ruhmlos gekämpft. Die militärische Auseinandersetzung versickerte schnell in Verhandlungen. Durch schwere Sommerregen waren die Zelte naß geworden, und Vorräte verrotteten in der Feuchtigkeit; Lebensmittel wurden trotz des reichen Landes langsam knapp. Durch eine ausgehandelte Entschuldigung des Herzogs von Geldern wurde bald ein ehrenhafter Abzug möglich, der aber von weiteren schweren Regenfällen überschattet wurde. Die Straßen waren schlammig, die Pferde stolperten über glitschige Baumstümpfe und Felsen, Männer ertranken, während sie bei Hochwasser die Furten der Flüsse durchwateten, und die Beutewagen wurden ebenfalls ein Opfer der Fluten. Ritter, Knappen und hohe Herren kehrten ohne Ruhm und Gewinn nach
Hause zurück, viele von ihnen waren krank oder erschöpft und klagten den Herzog von Burgund an, dessen Ambitionen in Brabant sie ganz zu Recht für das Fiasko verantwortlich machten. Coucy scheint sich keine Vorwürfe eingehandelt zu haben, wie er auch während des Aufstands in Paris ohne Tadel geblieben war. Anders die Herzöge. Seit Beginn ihrer Regentschaft hatten sie das Reich in eine Serie von ruinösen Fehlschlägen verstrickt. Nach Geldern hatten sie jeglichen Kredit verspielt.
Wie als Antwort darauf entließ Karl VI. im Alter von zwanzig Jahren seine Onkel aus der Regentschaft und beanspruchte sofort nach seiner Rückkehr aus Geldern im Jahre 1388 die uneingeschränkte Souveränität. Bei einer Sitzung des Thronrates stellte der Kardinal von Laon, der ranghöchste Prälat, diesen Antrag. Ein paar Tage später erkrankte er und starb, »erlöst von der Wut und dem Haß der Onkel«, die ihn, wie man weithin annahm, vergiftet haben sollen. Später prahlte Clisson gegenüber einem englischen Gesandten, daß er es gewesen sei, der Karl VI. »zum König und Herrn seines Reiches gemacht habe und die Regierung aus den Händen der Onkel in die seinen gelegt habe«. Aber unabhängig von Clissons persönlicher Feindschaft waren Coucy und andere Mitglieder des königlichen Rates bestrebt, die Bürde des schlechten Rufs der Herzöge sich und der Krone abzunehmen. Die Person aber, die dieser Schritt am meisten betraf, war des Königs jüngerer, gewitzterer und dynamischerer Bruder, vorläufig auch der Thronfolger, Ludwig, Herzog der Touraine, der später als Herzog von Orléans bekannt werden sollte.
Von 1389 an ersetzte Ludwig von Orléans den Herzog von Burgund im königlichen Rat. [Ref 340] In der zweiten Hälfte seines kurzen, aber ereignisreichen Lebens sollte er von nun an in enger Verbindung mit Coucy eine entscheidende Rolle
Weitere Kostenlose Bücher