Der ferne Spiegel
Herr zu sein . . . und seine Ehre und seinen Stand zu beschützen«. Clisson versprach seinerseits, ein treuer Vasall zu sein. Montforts Liebe und Zuneigung verwandelte sich in kochenden Haß, als Clisson seine Tochter mit Jean de Penthièvre verheiratete, dem Sohn von Montforts toten Rivalen Karl von Blois und Erben des Herzogtums, da Montfort zu der Zeit keine Söhne hatte.
Mit verschiedenen Druckmitteln und Angeboten drängte England Montfort, etwas zu unternehmen, um die französische Invasion zu verhindern. Zu gleicher Zeit war er mit dem Herzog von Burgund und dem von Berry verbunden. Als Vetter der Herzogin von Burgund war er in jener intensiven Parteilichkeit mit ihrem Gatten verbündet, die sich im Mittelalter automatisch aus der Verwandtschaft durch Eheschließung ergab. Im Mai 1387 hatte er mit dem Herzog von Berry ein Privatabkommen geschlossen. Ein gemeinsames Interesse mit beiden Brüdern war die Feindschaft gegen den Constable.
Wie Coucy vorausgesehen hatte, züchtete das Amt des Constable Feinde geradezu heran. Jeder Inhaber des Amtes wurde zu einer Gestalt, die die Macht der beiden Herzöge von Burgund und Berry bedrohen konnte, und Clissons Persönlichkeit lud zu Widerstand ein, zumal er ein sehr reicher Mann war. Das Amt des Constable trug ihm 24 000 Franken im Jahr ein, er kaufte Lehen, baute sich einen Palast in Paris und verlieh Geld an jedermann: den König, die Herzogin von Anjou, Berry, Bureau de la Rivière und 7500 Florins 1384 an Papst Klemens. Wenn seine Gläubiger die Rückzahlungsfrist überschritten, was sie gewöhnlich taten, konnte er es sich leisten, den Kredit zu verlängern und dafür einen Profit durch größere Sicherheiten und Zinsen einzustreichen.
Im Juni 1387 wurde der einäugige Krieger von Montfort in einem Coup ergriffen, der nicht weniger sensationell war als Gian Galeazzos Angriff auf Bernabò, dessen Perfektion er allerdings nicht erreichte. Montfort rief eine Parlamentsversammlung in Vannes zusammen, an der alle bretonischen Adligen teilzunehmen
hatten. Während der Verhandlungen behandelte er Clisson mit äußerster Liebenswürdigkeit, lud ihn hinterher zum Essen ein und bat ihn, mit seinem Gefolge eine neue Burg Montforts in Hermine in der Nähe von Vannes zu besuchen. Leutselig führte Montfort seine Gäste durch das Gebäude einschließlich des Kellers, um den Wein zu probieren. Als sie den Hauptturm erreichten, sagte er: »Messire Olivier, ich kenne keinen Mann auf dieser Seite des Meeres, der über Befestigungsanlagen mehr weiß als Ihr; weshalb ich Euch bitte, steigt die Treppen hinauf und sagt mir Eure Meinung zur Konstruktion des Turmes, und wenn etwas fehlerhaft ist, werde ich es nach Eurem Rat verbessern lassen.«
»Gern, Monseigneur«, antwortete Clisson, »folge ich Euch.«
»Nein, Herr, geht nur allein«, sagte der Herzog und gab vor, während der Inspektion des Turmes durch Clisson mit dem Sire de Laval, Clissons Schwager, sprechen zu wollen. Obwohl Clisson wenig Veranlassung hatte, seinem Gastgeber zu trauen, verließ er sich auf seine Sicherheit als Gast. Er stieg die Treppen hinauf und wurde, als er das Geschoß im ersten Stock betrat, von einer dort wartenden Gruppe von Soldaten ergriffen und mit drei schweren Ketten gefesselt, während andere in der ganzen Burg Türen und Tore mit großem Lärm zuwarfen.
Als er das hörte, »erbebte Laval« und starrte den Herzog an, der »grün wie ein Blatt wurde«. »Um Gottes willen, Monseigneur«, rief Laval, »was tut Ihr? Verletzt nicht meinen Schwager, den Constable!«
»Besteigt Euer Pferd und geht fort von hier«, antwortete ihm Montfort. »Ich weiß, was ich tun muß.« Laval weigerte sich, ohne den Constable zu reiten. In diesem Augenblick eilte ein anderer aus Clissons Gefolge, Jean de Beaumanoir, erschreckt herbei. Montfort, der auch ihn haßte, zog seinen Dolch und stürzte sich wie besessen auf ihn: »Beaumanoir, wollt Ihr sein wie Euer Herr?« Und Beaumanoir sagte, daß ihm das eine Ehre wäre. »Wollt Ihr wirklich, wollt Ihr wirklich sein wie Euer Herr?« schrie der Herzog in seiner Raserei, und als Beaumanoir noch einmal ja sagte, hielt er den Dolch dicht an das Auge des Mannes: »Nun, dann werde ich Euch das Auge ausstechen.« Mit zitternder Hand hielt er den Dolch, aber er vermochte nicht zuzustoßen. »Geht, geht!« schrie er
heiser. »Ihr sollt es weder besser noch schlechter haben als er«, und er befahl seinen Männern, Beaumanoir ebenfalls in Ketten zu legen und ins Gefängnis zu
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