Der ferne Spiegel
hätte Richard ihm nicht widersprochen . . . Alles wurde von ihm gemacht, und nichts geschah ohne ihn.«
Mit seinen einundzwanzig Jahren war der König schmal, blondhaarig und blaß; er sprach »abrupt und stotternd« und hatte eine Haut, die leicht errötete. Er kleidete sich mit schreiender Eleganz, verabscheute den Krieg und war arrogant, ungeduldig und übellaunig
im Umgang mit seinen Dienern. Sein Plantagenetstolz, verbunden mit dem Einfluß Oxfords, ergab einen unsteten, eigenwilligen Herrscher, der erpresserische Steuern erhob, um seine Sucht nach Luxus bezahlen zu können. Vor seinem Sturz, der die Linie der Plantagenets beenden sollte, erfand er das Taschentuch, das in den Haushaltsbüchern als »kleine Stofftücher« beschrieben wird, »die der Herr König in der Hand tragen konnte, um die Nase zu schneuzen und zu säubern«. [Ref 343]
Herrschaft durch Günstlinge neigt zur willkürlichen Ausübung der Macht, was aber ohnehin in Richards Charakter lag. Er hatte Oxford zu einem Ritter des Hosenbandordens gemacht und ihn mit einundzwanzig Jahren zum Mitglied des Geheimen Kronrates erhoben; er hatte ihn mit Schenkungen – Ländereien, Burgen, Patronaten und anderen Einkommensquellen, darunter eine Vogtei aus dem Besitz der Familie der Herzogin von Buckingham – nur so überschüttet. Das war nicht klug von ihm, aber wenn Alleinherrscher immer vernünftig gehandelt hätten, wäre die Geschichte nicht so reich an moralischen Lehrstücken. Der rücksichtslose Buckingham brauchte keinen besonderen Grund, um den jungen König zu hassen, denn er verachtete ihn bereits, weil er zögerte, den Krieg fortzusetzen. Die Feinde Oxfords sammelten sich um Buckingham, der nun Herzog von Gloucester war, und machten ihn zum Mittelpunkt einer Oppositionspartei, die die Macht des königlichen Günstlings zügeln wollte.
Die Auseinandersetzung erreichte ihren Höhepunkt, als der König – anläßlich eines Aufstandes in Irland – Oxford den neugeschaffenen Titel eines Marquis von Dublin gab und ihn anschließend zum Herzog von Irland ernennen wollte, was ihn über alle Grafen gestellt hätte. Er wurde mit königlichen Vollmachten ausgestattet, den Aufstand niederzuschlagen; aber anstatt nach Irland zu gehen, was dem Adel wenigstens die Befriedigung verschafft hätte, ihn von der Bildfläche verschwinden zu sehen, verliebte er sich in eine böhmische Hofdame der Königin. Seine Leidenschaft war so groß, daß er fest entschlossen war, sich von Philippa scheiden zu lassen und die böhmische Dame zu heiraten. Dadurch zog er sich den Zorn von Philippas königlichen Onkeln Lancaster, Gloucester und York zu. Trotz der Beleidigung, die dies seiner Familie
zufügte, war Richard zu sehr von Oxford eingenommen, als daß er sich ihm hätte entziehen können. So »stimmte er unpassender-und sündhafterweise zu« und half sogar noch bei der Verstoßung einer eigenen Kusine. Oxford richtete einen Antrag auf Scheidung an Papst Urban, den er mit »falschem Zeugnis« begründete, Richard fügte dem seine Bitte um gefällige Berücksichtigung zu, und der Papst spürte keine Gewissensbisse, als er dem Anliegen entsprach, da Philippas Familie, die Coucys, klementinisch war.
Froissart schrieb später, daß die Art und Weise, wie Oxford seine Ehefrau behandelt habe, »der Hauptgrund dafür sei, daß er seine Ehre verloren« habe. Sogar die Mutter Oxfords stimmte der allgemeinen Verurteilung zu, indem sie Philippa zu sich in ihr Haus nahm. Sicherlich war es aber weniger moralische Empörung als Philippas königliches Geblüt und Oxfords allgemeine Unbeliebtheit, was die Mißbilligung auslöste. Obwohl die Ehe als Sakrament galt, waren Scheidungen nicht selten und, wenn man die richtigen Beziehungen spielen ließ, sogar leicht möglich. In Langmans Piers Plowman wird von allen Rechtsanwälten behauptet, »daß sie für Geld Ehen schließen und scheiden«, und Prediger beschwerten sich immer wieder, daß Männer ihre Frauen loswerden könnten, wenn sie dem Richter nur einen Pelzmantel verschafften. In der Theorie gab es die Ehescheidung nicht, aber die mittelalterlichen Gerichtsakten sind voll von Scheidungsprozessen. Ungeachtet der Theorie war Scheidung ein Teil des mittelalterlichen Lebens, ein beständiges Element der Disharmonie zwischen mittelalterlicher Theorie und Praxis.
Im November 1387 wurde eine offizielle Beschwerde gegen Oxford und vier Ratsmitglieder der Partei des Königs von einer Gruppe von Lords eingebracht, die kraft dieses
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