Der ferne Spiegel
in der französischen Staatspolitik spielen. Er war ein stattlicher, vergnügungssüchtiger Mann, ein »ergebener Diener der Venus«, der nur allzu gern die Gesellschaft von »Tänzern, Schmeichlern und Menschen von losem Lebenswandel« suchte. Aber er war auch sehr religiös und zog sich von Zeit zu Zeit zwei oder drei Tage lang in das Zölestinerkloster (am heutigen Quai des Célestins) zurück, dessen Pariser Haus sein Vater 1363 gegründet hatte. Die Zölestiner waren ein Orden von
Bußpredigern, die auch Philipp de Mézières bevorzugte. Er war der Erzieher des Prinzen gewesen und hatte ihn auf diesen Orden aufmerksam gemacht, der sich eine besonders strenge Enthaltsamkeit auferlegt hatte. Ludwig war von Mézières stark beeinflußt, den er zu seinem Bevollmächtigten ernannte. Er hatte offensichtlich mehr als sein Bruder von diesem Manne gelernt, denn er war der einzige der königlichen Familie, von dem man sagen konnte, daß er das Latein der Diplomaten verstand. Unter den Verhältnissen seines Standes war er damit ein Gelehrter, andererseits aber auch ein begeisterter Spieler, der Schach und Tennis genauso liebte wie Kartenspiel und das Würfeln. Er spielte mit Dienern und Freunden, und man sagt ihm nach, daß er in Tennisspielen mit befreundeten Adligen Summen bis zu 2000 Goldfranken verlor. [Ref 341]
Ludwig war ebenso habgierig und machtgierig wie seine Onkel, die er entmachtet hatte, um seinem eigenen Ehrgeiz den Weg zu ebnen. Die Fehde, die er damit auslöste, sollte erst neunzehn Jahre später enden, als er von seinem Vetter Johann, dem Sohn und Nachfolger des Herzogs von Burgund, ermordet wurde, und riß Frankreich und Burgund auseinander, so daß die Engländer dort neuen Einfluß gewannen. Ludwig gehörte zur letzten Generation des Jahrhunderts, und trotz aller Vergnügungssucht sah er seine Welt in dunklen Farben. Ein zeitgenössischer Vers beschreibt ihn als
Kummervoll, sogar traurig, aber schön;
er schien zu melancholisch für einen,
dessen Herz so hart wie Stahl war.
Obwohl Coucy sicher mit der Ablösung der Herzöge zu tun hatte, bewirtete er schon kurze Zeit später Philipp den Kühnen und seinen Sohn, den Grafen von Nevers. Die Aufzeichnungen des Herzogs beweisen, daß er und sein Sohn am 8. Dezember »auf Kosten des Monseigneur de Coucy« in seinem Schloß speisten und schliefen. Außerdem schenkte der Herzog der Dame des Hauses offensichtlich einen Diamantring und ihrer kleinen Tochter eine Saphirbrosche. Es lohnte sich immer, den Herrn von Coucy zu umwerben.
Der neue königliche Rat machte bald darauf einen ernsthaften Versuch, das Verwaltungssystem von Karl V. wieder einzuführen.
Die Marmosetten – Rivière, Mercier und andere – erlangten ihre Macht zurück, die Bürokratie wurde von den Statthaltern der Herzöge gesäubert, und fünf Reformbeauftragte wurden ernannt, um die schlimmsten Mißstände ausfindig zu machen, bestechliche Beamte zu entfernen und sie durch »gute Männer« zu ersetzen. Als erster Schritt zur Versöhnung mit den Bürgern von Paris wurden das Amt des Vorstehers von Paris und einige andere Stadtrechte wieder eingeführt. Es wurden Maßnahmen eingeleitet oder zumindest geplant, die darauf zielten, die Kanalisation zu verbessern. Außerdem wurden die Bettler strenger kontrolliert, die allabendlich ihre Krücken, Augenklappen, schauerlichen Krankheiten und Stümpfe an einem Ort ablegten, der wegen der wundervollen Verwandlungen, die dort vonstatten gingen, Cour des Miracles (Hof der Wunder) genannt wurde.
Das grundlegende Problem der Staatsfinanzierung wurde in einer Reihe von Verordnungen angegangen, die fiskalische und juristische Reformen zum Gegenstand hatten. Der Versuch, die Steuerfreiheit der Universität aufzuheben, wurde von Rivière und Mercier ohne gutes Ergebnis unternommen, denn dieser Schritt trug ihnen zusätzlich zum Haß der Herzöge auch noch die Feindschaft der mächtigen Universität ein. [Ref 342]
In England stand zur gleichen Zeit der König in einem tödlichen Drama gegen seine Onkel und andere Gegner. Die Hauptgestalt auf dieser Bühne war Robert de Vere, der Ehemann Philippa de Coucys, neunter Graf von Oxford und des Königs engster Berater und Freund. In seiner Jugend war er durch seine Hochzeit mit Philippa an den Hof gekommen und hatte entscheidenden Einfluß auf Richard gewonnen, der fünf Jahre jünger als er und vaterlos war. Oxford »machte mit dem König, was er wollte«, und »wenn er gesagt hätte, daß schwarz weiß sei,
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