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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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durch den Stolz und die Eitelkeit dieser Franzosen verloren«, sagte Sigismund zum Großmeister der Ritter von Rhodos, »hätten sie meinen Rat angenommen, wir wären Manns genug gewesen, den Feind zu bekämpfen.«
    Als Bajasid über das Schlachtfeld ritt und nach der Leiche des ungarischen Königs suchte, fand er de Vienne – das Banner immer noch fest in der toten Hand. Der Sultan war »zerrissen von Trauer« über den Anblick der türkischen Verluste, die die der Christen weit überstiegen. Er schwor, dies Blut nicht ungerächt zu lassen. Als er das Massaker an den Gefangenen von Rachowo entdeckte, verwandelte sich sein Zorn in Raserei. Er befahl, alle Gefangenen am nächsten Morgen vor ihn zu bringen. Jacques de Helly, ein Ritter, der unter Murad I. gedient hatte und von türkischen Kommandeuren erkannt wurde, mußte die führenden Adligen der Franzosen bezeichnen. So wurden Coucy, Bar, d’Eu, Guy de Tremoille, Jacques de la Marche, der Graf von Nevers und einige andere, die hohes Lösegeld versprachen, verschont. [Ref 428]
    Der Rest, eine Zahl von mehreren tausend, wurde nackt vor den Sultan gebracht, in Gruppen von drei und vier zusammengebunden, die Hände gefesselt und Stricke um den Hals. Bajasid sah sie kurz an und gab dann den Henkern den Befehl, ihre Arbeit zu verrichten. Sie enthaupteten die Gefangenen gruppenweise, schnitten ihnen in manchen Fällen die Kehle durch oder trennten Glieder ab, bis Leichen und Henker in gleicher Weise in Blut gebadet waren. Nevers, Coucy und die anderen waren gezwungen, neben dem Sultan zu stehen und zuzuschauen, wie die Köpfe ihrer Kameraden unter den Krummsäbeln fielen. Boucicaut, verwundet und nur halb bei Bewußtsein, erschien in der Reihe. Nevers fiel vor dem Sultan auf die Knie und deutete pantomimisch mit verschränkten Fingern an, daß er ihm wie ein Bruder sei, daß er das gleiche Lösegeld einbringen würde wie der Graf selbst. Boucicaut wurde verschont. Die Hinrichtungen dauerten vom Morgen bis in den späten
Nachmittag, bis Bajasid, von dem Anblick erschüttert oder, wie einige berichten, von seinen Ministern überredet, das Gemetzel einstellen ließ. Schätzungen der Opfer schwanken zwischen dreihundert und dreitausend.
    Viele mehr lagen auf dem Schlachtfeld, und auch nicht alle, die fliehen konnten, erreichten die Heimat. Einige entkamen den Türken, nur um in der Donau zu ertrinken, als überladene Boote sanken. König Sigismund segelte zum Schwarzen Meer und nach Konstantinopel und erreichte schließlich seine Heimat. Viele, die versuchten, auf dem Landweg zurückzuwandern, kamen um. Nur wenige schafften es, unter ihnen Graf Ruprecht von Bayern in der Kleidung eines Bettlers. Aber auch er starb wenige Jahre später an den Entbehrungen des Weges.
    Luxus und mangelnde Moral, Stolz und Zwietracht, überlegene türkische Taktik, Ausbildung und Disziplin – all dies trug zu dem katastrophalen Ausgang bei. Vor allem aber scheiterten die Kreuzfahrer an ihrem ritterlichen Kredo individueller Tapferkeit – was die Frage nach sich zieht: Warum kämpfen die Menschen? Kriege werden entweder um der Verherrlichung der Kriegführenden willen oder um bestimmte Ziele an Macht, Territorium oder politischem Einfluß geführt. Der mittelalterliche Krieg war keineswegs immer ideeller Natur. Karl V. war der Ruhm des Krieges gleichgültig, wenn er nur die Engländer aus Frankreich vertreiben konnte. In den Feldzügen in der Normandie, von Arezzo und Genua setzte Coucy zuerst jedes andere Mittel ein – Geld, Diplomatie und politische Abkommen –, bevor er die Waffen sprechen ließ, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Trotz seines großen ritterlichen Ruhms gehörte er eher der Schule Karls V. an als der Boucicauts.
    Innerhalb weniger Jahre nach dem Tod von Karl V. und Du Guesclin war ihr Pragmatismus verschwunden. Die ritterliche Idee behauptete sich aufs neue und bestimmte die Entscheidungen des Nikopolfeldzuges. Warum wurden aus den Erfahrungen von Mahdia nicht die Lehren gezogen? All die grandiosen Pläne der letzten Dekade – die Invasion Englands, die Eroberung Tunesiens, der Weg der Tat – waren entweder Luftschlösser oder Exempel des Scheiterns. Warum waren die französischen Kreuzritter weniger als fünfzig ruhmlose Jahre nach Crécy so arrogant und überheblich?
Warum waren sie nicht fähig, ihre Gegner einzuschätzen, zu erkennen, daß diese nicht für die gleichen Werte und unter anderen Regeln kämpften? Die einzige Antwort ist, daß eine beherrschende Idee

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