Der ferne Spiegel
war und in Dogan Bei einen energischen türkischen Gouverneur hatte, der entschlossen war auszuharren, bis der Sultan ihm zu Hilfe kam.
Die Franzosen hatten keine Katapulte oder andere Belagerungswaffen mitgeführt, so wie sie auch keine in die Berberei mitgebracht hatten. Das Geld war in Seide und Samt und Goldstickereien gegangen, der Laderaum war ausgelastet mit Wein und Delikatessen für die Feste auf dem Marsch. Warum schwere Maschinen durch Europa schleppen, wenn es gegen einen so verächtlichen Feind ging? Etwas Grundsätzliches in der mittelalterlichen Kultur des Rittertums bestimmte diese fatalen Entscheidungen.
Der Mangel an Belagerungsmaschinen und die steile Anhöhe machten es praktisch unmöglich, Nikopol im Sturm zu nehmen; der einzige Weg war eine Blockade. Die Kreuzfahrer legten einen undurchlässigen Ring um die Festung, die venezianischen Schiffe blockierten den Fluß, und nun blieb nur noch das Warten darauf, daß Hunger und Durst die Verteidiger zur Aufgabe zwangen. Zwei Wochen vergingen bei Festen, Ausschweifungen und nachlassender Disziplin. Vorgeschobene Wachen wurden nicht aufgestellt, die von den Plünderungen abgestoßenen Bewohner des Landes brachten keine Informationen. Nur die Fourageure, die gezwungen waren, Lebensmittel von weither heranzuschaffen, brachten Gerüchte von einer heranrückenden türkischen Armee ins Lager.
Tatsächlich hatte der Sultan mit Kavallerie und Infanterie Adrianopel bereits hinter sich gelassen und rückte in Eilmärschen über den Schipka-Paß auf Tirnowo zu. Eine Erkundungspatrouille,
die Sigismund ausgesandt hatte, brachte die Nachricht, daß der »Große Türke« wirklich kam. Unter den hartbedrängten Einwohnern von Nikopol erhob sich auf dieselbe Nachricht hin großer Jubel, Trompeten und Trommeln wurden laut. Boucicaut, bewundertes Vorbild der Ritterschaft seiner Zeit, tat dies als List ab und drohte allen, die das Gerücht vom Kommen der türkischen Armee ins Lager trügen, die Ohren abzuschneiden.
Coucy war nicht geneigt, im Lager abzuwarten, was da kommen sollte. Er hielt es für notwendig, sofort zu handeln: »Laßt uns herausfinden, welche Art Männer unsere Feinde sind«, sagte er. Immer ein praktisch denkender Krieger, war Coucy einer der wenigen, die sich überhaupt mit der Kampfart, der Ausrüstung und dem Marschweg des Feindes befaßten. Mit Renaud de Roye und Jean de Saimply, dem Kammerherrn Burgunds, und einer Kompanie von fünfhundert Lanzen ritt er nach Süden. Als er feststellte, daß eine große türkische Abteilung sich einem Paß näherte, befahl er zweihundert Reitern, den Feind anzugreifen und ihn dann zur Verfolgung zu reizen. Er selbst legte sich mit dem größeren Teil seiner Truppe in einen Hinterhalt, um den Feind von hinten fassen zu können. Dies war eine erprobte Taktik in dafür geeignetem Gelände, und hier wurde es zu einem vollkommenen Erfolg. Als die Türken vorbeigaloppierten, sprangen die Kreuzritter aus ihrem Versteck hervor und warfen sich mit dem Kampfruf »Unsere heilige Frau mit dem Sire de Coucy« auf sie, während die französische Vorhut von ihrer Flucht abließ und von vorn angriff. In ihrer Verwirrung konnten sich die Türken nicht formieren und erlitten schwere Verluste. Ohne Gnade erschlugen Coucys Truppen so viele sie konnten und kehrten dann, » glücklich, entkommen zu sein«, auf dem gleichen Weg ins Lager zurück. [Ref 426]
Coucys Sieg riß das Lager aus seiner Lethargie, hatte aber auch unglückliche Nachwirkungen: Er verstärkte noch das französische Selbstvertrauen, und er intensivierte die Eifersucht des Constable, »denn er sah, daß der Sire de Coucy von der ganzen Kompanie sehr bewundert wurde und auch von den Ausländern«. Er trug Zwietracht in die Armee, indem er Coucy vorwarf, seine Truppen ohne Not der Gefahr ausgesetzt und Nevers des Kommandos und des Ruhms beraubt zu haben.
Sigismund berief einen Kriegsrat ein. Er schlug vor, die walachischen Fußsoldaten zunächst gegen die Vorhut der Türken zu schikken, die jene immer die Schlacht beginnen ließen, um den Feind zu ermüden, bevor die türkische Kerntruppe ins Gefecht eingriff. Der Constable d’Eu wandte sich voller Zorn gegen diese Taktik. Die französischen Ritter seien noch nicht so weit, sagte er, einer elenden Bauernmiliz den Vortritt auf dem Schlachtfeld zu lassen. Sitte des Ritters sei es, zu führen und andere durch sein Beispiel zu ermutigen. »Uns in die Nachhut zu stellen heißt uns entehren und uns der Verachtung
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