Der ferne Spiegel
jüngeren Männer, »kochend vor Kampfeseifer« und in dem Glauben, dem Sieg nahe zu sein, bestanden auf sofortiger Verfolgung. Sie kannten die Zahl der Feinde nicht und meinten, bereits Bajasids ganze Streitmacht bekämpft zu haben.
Die Berichte erzählen von einem wilden Ansturm den Hügel hinauf, von den türkischen Sipahis , die an den Flügeln den Hügel hinunterströmten, um die französischen Ritter einzuschließen, von den Ungarn und ihren Verbündeten, die auf der Ebene in chaotische Kämpfe verwickelt waren, von einer Stampede reiterloser Pferde, die offenbar vor den Pfählen von den Pagen nicht gehalten werden konnten. Angesichts dieser Stampede schlossen die Truppen aus der Walachei und Transsilvanien, daß die Schlacht verloren sei, und wandten sich zur Flucht. Sigismund und die Ritter von Rhodos und die Deutschen sammelten noch einmal alle Kräfte und warfen sich in einem »unbeschreiblichen Massaker« auf die Türken, als eine entscheidende Verstärkung von eintausendfünfhundert Serben auf türkischer Seite dem Feind die Oberhand gab. Als Vasall des Sultans hätte der serbische Despot Stephan Lazarewitsch auch neutral bleiben können wie die Bulgaren, auf deren Boden der Kampf ausgetragen wurde, aber er haßte die Ungarn noch mehr als die Türken. Seine Intervention war entscheidend. Sigismunds Truppen wurden überwältigt. Von ihrem Gefolge vom Schlachtfeld gezogen, entkamen der Großmeister der Ritter von Rhodos und der König auf ein Fischerboot an der Donau und wurden unter einem Hagel von Pfeilen ihrer Verfolger von einem Schiff der verbündeten Flotte aufgenommen.
Die französischen Ritter, von denen mehr als die Hälfte ihr Pferd verloren hatte, kämpften sich in ihrer schweren Rüstung bis auf den Hügel hinauf, wo sie den zerschlagenen Rest der türkischen
Armee vermuteten. Statt dessen sahen sie sich einer frischen Heeresgruppe von Sipahis gegenüber, die der Sultan in Reserve gehalten hatte. »Der Löwe in ihnen verwandelte sich in einen angstvollen Hasen«, schreibt der Mönch von St. Denis unnachsichtig. Mit dem argen Lärm von Trompeten und Kesseltrommeln und dem Kriegsschrei »Allah ist groß!« griffen die Türken an. Die Franzosen erkannten, daß das Ende gekommen war. Einige flohen den Hügel hinunter; der Rest kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung, »grimmiger als schäumende Keiler und rasende Wölfe«. D’Eus Schwertarm schnitt so tapfer, wie er geprahlt hatte, rechts und links alles nieder. Boucicaut kämpfte in dem Stolz des Kriegers und in der Scham seiner Irrtümer mit so grenzenloser Kühnheit, daß er einen Kreis des Todes schuf, wo immer er stand. Philippe von Bar und Odard de Chasseron fielen. Das Banner der Notre-Dame in der Hand des Admirals de Vienne wankte und fiel. Aus vielen Wunden blutend, erhob er es wieder und wurde, während er noch versuchte, andere, die zurückwichen, zu sammeln, erneut getroffen und erschlagen. Coucys überragende Gestalt sah man »unerschüttert von den schweren Lederkeulen der Sarazenen, die auf seinen Kopf fielen«, und von ihren Waffen, die auf seine Rüstung schlugen. »Denn er war groß und schwer und von großer Kraft und teilte solche Schläge aus, daß er alles in Stücke hieb.« [Ref 427]
Die Türken umzingelten Nevers. Seine Leibwache warf sich vor ihnen nieder, um so wortlos um sein Leben zu bitten. Heiliger Krieg oder nicht – auch die Ungläubigen waren an reichen Lösegeldern interessiert und verschonten den Grafen. Nach seiner Kapitulation ergaben sich auch die übrigen Franzosen. Die Schlacht von Nikopol war verloren, das Fiasko vollständig. Die Türken machten Tausende von Gefangenen, die ganze Ausrüstung der Kreuzfahrer, die Vorräte, die Banner und die goldenen Tuche fielen den Siegern zu. »Seit der Schlacht von Roncesvalles, da alle zwölf größten Ritter von Frankreich erschlagen wurden, erlitt die Christenheit nicht solchen Verlust.«
Auch wenn Froissart es nicht wissen konnte, sein Epitaph auf diesen Kreuzzug war historisch gerechtfertigt. Der Kampfesmut der Franzosen war außerordentlich gewesen, und die Verluste, die sie dem Feind zufügten, zeigten deutlich, daß, wenn sie vereinigt
mit ihren Verbündeten gekämpft hätten, das Ergebnis – die Geschichte Europas – ganz anders hätte aussehen können. So aber etablierte der Sieg von Nikopol die Türken fest in Europa, besiegelte den Fall von Konstantinopel und die Herrschaft über Bulgarien für die nächsten fünfhundert Jahre. »Wir haben die Schlacht
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