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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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beim Überschreiten der Loire entließ und zurückschickte, »was Wahnsinn in ihm und seinen Ratgebern war«. König Johann war zuversichtlich, mit der gesammelten Macht Frankreichs den Schwarzen Prinzen nach Aquitanien, sogar zurück nach England treiben zu können. Zwischen dem 8. und 13. September überquerte die französische Armee bei Orléans die Loire und stieß nach Süden vor. Am 12. September war der Schwarze Prinz in Montbazon, fünf Meilen südlich von Tours, wo ihn die päpstlichen Gesandten trafen, die seit Beginn des Jahres versuchten, die beiden Parteien zu Friedensverhandlungen zu bewegen. Neben ermahnenden Schreiben an die beiden Könige und führende Fürsten der beiden Nationen hatte der Papst zwei Kardinäle entsandt, um die Kriegshandlungen zum Stehen zu bringen.
    Von einem der beiden, Kardinal Talleyrand, [Ref 123] erfuhr Prinz Eduard, daß der französische König damit rechnete, ihn einzuholen, und sich für den 14. September auf die offene Feldschlacht vorbereitete. Obwohl der Schwarze Prinz alles andere als versessen darauf war, gegen die unverbrauchten und überlegenen Kräfte der Franzosen die Schlacht zu riskieren, wies er das Angebot Talleyrands zurück, einen Waffenstillstand auszuhandeln, wohl weil er glaubte, sich dem Feind entziehen zu können. Die Franzosen versuchten
in Eilmärschen, die Engländer bei Poitiers in der Flanke zu umgehen und ihren Rückzug zu vereiteln, indem sie ihnen den Weg nach Bordeaux verlegten. Vier weitere Tage marschierten die beiden Heere hintereinander her, ohne daß es zu einem Schlagabtausch gekommen wäre. Die Engländer waren den Franzosen kaum zwölf Meilen voraus, und diese verkürzten den Abstand Stück um Stück.
    Am 17. September sichtete eine französische Gruppe eine englische Aufklärungseinheit nahe dem Gut La Chaboterie, drei Meilen westlich von Poitiers. Der Anführer der französischen Gruppe war Raoul de Coucy, Sire de Montmirail, Onkel Enguerrands VII. und als einer der tapfersten Ritter seiner Zeit bekannt. Auf eigene Initiative ging er im Galopp zum Angriff über. Ob Enguerrand bei ihm oder im Hauptheer war, ist nicht überliefert.
    In dem Zusammenprall, der nun folgte, drang Raoul so weit in die feindlichen Reihen vor, daß selbst der Bannerträger des Schwarzen Prinzen in Gefahr geriet. Unter der Wucht des französischen Ansturms wankten die anglo-gasconischen Einheiten, erholten sich dann aber und überwältigten unerklärlicherweise, obwohl sie zahlenmäßig unterlegen waren, die französischen Angreifer. Viele von ihnen fielen, und Raoul selbst wurde gefangengenommen. Wie vieles andere, das während der Schlacht von Poitiers geschah, ist auch der Ausgang des Gefechts bei La Chaboterie nur schwer zu erklären.
    Da die Engländer und Gasconen Gefangene, die reiche Lösegelder versprachen, machen wollten, verfolgten sie die Franzosen so hartnäckig, daß sie sich weit vom Schlachtfeld entfernten. So war der Prinz gezwungen, haltzumachen, um seine Kräfte zu sammeln. Er befahl, das Nachtlager aufzuschlagen, obwohl seine Soldaten schwer unter Wassermangel litten.
    Am nächsten Morgen, Sonntag, dem 18. September, als die müden englischen Verbände den Rückmarsch wiederaufnahmen, sahen ihre Kundschafter von einer Hügelkuppe aus das Schimmern von Rüstungen und das Flattern von tausend Bannern. Es war das französische Heer. Der Prinz sah, daß die Schlacht nun unausweichlich war, und zog seine Truppen auf die günstigsten Positionen zusammen, die ihm das Gelände bot. Er stellte sein Heer auf
einer bewaldeten Anhöhe auf, die an Weinberge und Hecken grenzte und an deren Fuß ein Fluß sich durch sumpfiges Grasland schlängelte. Auf der anderen Seite des Flusses lag ein breites Feld, das von einem schmalen Weg durchquert wurde. Dieser Ort lag ungefähr zwei Meilen südöstlich von Poitiers.
    In seiner Siegesgewißheit ließ sich König Johann von Kardinal Talleyrand zurückhalten, der mit einer großen Gruppe von Geistlichen eintraf und bat, den sonntäglichen »Gottesfrieden« einzuhalten und ihm zugleich die Möglichkeit zu geben, zu vermitteln. Im Kriegsrat, der in dem scharlachroten Seidenzelt des Königs stattfand, drangen der Marschall d’Audrehem und die anderen kampflustigen Heerführer auf sofortigen Angriff, auch weil sie sich der Gefahr bewußt waren, von Lancaster im Rücken angegriffen zu werden. Gegen ihren Rat stimmte der König in einem fatalen Entschluß der Bitte des Kardinals um Aufschub zu. Ein Vorschlag Geoffrey

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