Der Fetisch-Mörder
sich, wie viele Polizisten wohl damit angegriffen worden waren, bevor man diese Vorsichtsmaßnahme ergriffen hatte. Als Detective Flynn die Tür hinter ihnen schloss, sorgte die vorangegangene Szene bei einigen Detectives der Mordkommission immer noch für Heiterkeit. Makedde hielt es für klug, nicht darauf einzugehen. Flynns Privatangelegenheiten gingen sie nichts an.
Er bedeutete ihr, Platz zu nehmen, doch als sie einen Stuhl unter dem Tisch hervorzog, meinte er: »Entschuldigen Sie bitte, diesen nicht.« Eines der Metallbeine war stark verbogen. Sie nahm einen anderen, unversehrten Stuhl, und er ließ sich ihr gegenüber nieder.
Makedde musste an die wenigen Verhöre denken, die sie durch einen Einwegspiegel hatte beobachten dürfen. Der Spiegel hatte so ähnlich ausgesehen wie der, vor dem sie jetzt saß. Ihr Vater war ein exzellenter Vernehmungsbeamter gewesen. Zuerst hatte er immer eine Verbindung zu seinen Verdächtigen aufgebaut, hatte sie dazu gebracht, sich zu entspannen und sie dann mit ihren eigenen Worten in die Falle gelockt. Eine etwas andere Taktik als mit Stühlen zu werfen. Doch der Gerechtigkeit halber musste sie Detective Flynn zugute halten, dass die Frau von vorhin eindeutig keine Verdächtige gewesen war.
Mak fragte sich, wie es wohl um Detective Flynns Vernehmungsgeschick bestellt war, und hoffte, dass er ein Profi war. Sie war sicher, dass einige seiner Kollegen zum Vernehmungsraum herübergekommen waren, als er die Tür geschlossen hatte. Nachdem sie sie schon im Wartebereich angestarrt hatten, glotzten sie jetzt bestimmt erst recht. Immerhin war es Sonntagnachmittag, und sie waren zweifellos müde und langweilten sich. Sie spürte die neugierigen Blicke. Sollte sie sie wissen lassen, dass sie Bescheid wusste? Ach was! Warum sollte sie ihnen den Spaß verderben?
Detective Flynn machte es sich auf seinem Stuhl bequem; er war immer noch damit beschäftigt, nach dem Streit wieder zur Ruhe zu kommen. Allein mit ihm in dem stillen Raum, ohne jegliche Ablenkung, fiel Makedde auf, dass er eigentlich recht attraktiv war. Er hatte dichtes, dunkles Haar, das er sehr kurz trug. Der Haarschnitt betonte sein ausgeprägtes kantiges Kinn. Seine Zähne waren gerade und seine Lippen ebenmäßig und irgendwie so geformt, dass sie auf eigenartige Weise sinnlich wirkten. Gut aussehend war vielleicht nicht das richtige Wort, um Detective Flynn zu beschreiben. Seine Nase war ein wenig krumm und seine Ohren ein bisschen zu groß. Unter seinen dunklen Brauen machten seine grünen Augen einen abgeklärten, skeptischen Eindruck. Doch alles zusammen wirkte durchaus attraktiv, erst recht, wenn man auch noch seine stattliche Größe dazu nahm. Jedenfalls fand das Makedde.
Gib’s zu, deshalb wolltest du ihn persönlich sprechen; du findest ihn attraktiv.
Sein Gesicht war immer noch ein bisschen rosig, und sie hätte schwören können, dass sie die Hitze spüren konnte, die sein Körper seit dem Streit ausstrahlte. Makedde fuhr fort, Andy Flynns Erscheinung bis ins Detail in Augenschein zu nehmen – die kleine Narbe an seinem Kinn, die sie am liebsten betastet hätte. Plötzlich musste sie an die Handschellen denken, die er als Detective mit Sicherheit am Gürtel trug, und sie verspürte ein Kribbeln sexueller Erregung. Doch dabei fühlte sie sich so unbehaglich, dass sie sich fragte, ob es am Mond lag oder ob ihre Hormone verrückt spielten.
»Zuerst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich am Freitag nicht imstande war, die Leiche eindeutig zu identifizieren«, begann Makedde. »Offenbar war ich völlig durcheinander. Gestern im Leichenschauhaus sah sie so anders aus … aber trotzdem, ich –«
Er fiel ihr herablassend ins Wort. »Die Autopsie war schon durchgeführt worden, bevor Sie die Leiche identifiziert haben. Das wird bei verdächtigen Todesfällen immer so gemacht. Tote sehen immer anders aus, Miss Vanderwall, sie …« Er verstummte und gestikulierte mit den Händen, um die Unerfreulichkeit posthumer Körperfunktionen anzudeuten.
Auf Makeddes Nacken sträubten sich die winzigen Härchen. Zog Flynn hier eine Show ab, um seinen hinter dem Spiegel zusehenden Kollegen zu imponieren? Wollte er zeigen, dass er einer Frau überlegen war?
»Ich bin nicht völlig blöd, Detective«, entgegnete sie mit ruhiger Stimme, denn sie war es gewohnt, unterschätzt zu werden. »Die Autopsieverfahren sind mir durchaus bekannt, ebenso die Leichenstarre und das unansehnliche Anschwellen, welches Sie mir
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