Der Fetisch-Mörder
Zeigefinger.
Ich könnte mir die Finger doch sicher auch selber einfärben.
»Wie kriegen Sie eigentlich richtige Straftäter dazu, das mitzumachen?«, fragte Makedde.
»Oh – da sind manchmal ein paar von uns nötig.«
»Und einige Überredungskunst, könnte ich mir vorstellen.« Er sah aus, als könne er sehr überzeugend sein, wenn er wollte. Sie sah seine Hände an, als er ihre Finger führte. Jetzt erst fielen ihr die Narben auf den Knöcheln seiner linken Hand auf, an der gleichen Stelle, wo auf seiner rechten Hand die Pflaster klebten. Ein beidhändiger Schläger?
»Haben Sie sich dabei die Hand verletzt?«, wollte sie wissen. »Beim Überreden?«
Er versteifte sich. »Das hat nichts damit zu tun.«
»Aha.« Klang nicht gerade überzeugend.
Während er ihren Mittelfinger, ihren Ringfinger und ihren kleinen Finger einfärbte und die entsprechenden Abdrücke nahm, schwiegen sie. Dann widmete er sich ihrer linken Handfläche. Dabei trat er näher an sie heran, so dass sich seine Brust gegen ihre Schulter drückte und sein Gesicht direkt vor ihr war. Sie erhaschte einen Blick auf seinen zerknitterten Hemdkragen und die glatte, dunkle Haut seines Halses und erinnerte sich daran, wie er an jenem verrückten Vollmondtag in dem Verhörzimmer auf sie gewirkt hatte.
Und daran, wie er sie abgefertigt hatte.
»Sie sind also die Tochter eines Detective Inspectors?«
»So ist es.«
»Und wie lange arbeiten Sie schon als Model?«
»Angefangen habe ich mit vierzehn. Und seit ein paar Jahren studiere ich Kriminalpsychologie.«
»Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen.«
»Nein, aber Sie ziehen an meinem.«
Er ließ sie los.
»Zur Zeit muss ich in den Semesterferien weitermodeln, um mein Studium zu finanzieren. Außerdem reise ich gerne.«
Er schluckte einmal schwer, dann lächelte er. »Eine Psychoklempnerin, wie?«
»Ich denke, Psychoklempnerin ist nicht die passende Bezeichnung. Aber ich bin noch keine ausgebildete Psychologin, nein.«
Er schien über ihre Worte nachzusinnen, und sie drückte ihren rechten Daumen selbst in das Stempelkissen und hielt ihn anschließend über das Blatt. Er ließ sie den Abdruck machen, fragte dann »Darf ich?«, und half ihr beim Abdruck des Zeigefingers.
Er beugte sich ziemlich dicht zu ihr vor. »Sie studieren also, um interessante Methoden zu finden, die Verbrecher, die ich schnappe, mit irgendwelchem hirnrissigen Psychogerede frei zu bekommen?«
»Sie haben zu viele Filme gesehen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass nur wenige Straftäter auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit plädieren, und dass noch weniger damit durchkommen und freigesprochen werden. Nein, ich interessiere mich mehr für die psychologische Betreuung des Polizeipersonals, damit ich Leute wie Sie davon abhalten kann, nach einem schlimmen Mord vom Dach zu springen.«
»Entzückend.«
Makedde lächelte.
Nachdem auch die Abdrücke ihrer rechten Hand genommen waren, ging sie zum Waschbecken und betrachtete die merkwürdig grobkörnige Seife, die genauso mit schwarzer Tinte besudelt war wie ihre Hand.
»Damit müsste das meiste weggehen«, meinte Andy.
»Wollen wir’s hoffen«, entgegnete Makedde skeptisch und begann ihre Hände zu schrubben. »Flynn ist ein irischer Name, nicht wahr?«, fragte sie beiläufig.
»Ja. Meine Familie lebt zwar schon seit Generationen in Australien, aber ein bisschen irisches Blut fließt noch in meinen Adern. Schottisches übrigens auch.«
»Tatsächlich? Dann machen Sie doch mal auf Sean Connery!«
»Also, Miss Moneypenny …«, begann er mit rundem schottischem Akzent.
Makedde spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Sie musste ihn stoppen, sonst wäre sie Wachs in seinen Händen. »Schöne Länder, Schottland und Irland«, brachte sie hervor und war froh, dass sie ihm den Rücken zukehrte. »Waren Sie schon mal dort?«
»Nein.«
»Wahrscheinlich ist es in Ihrem Job schwer, Urlaub zu machen.«
Er antwortete nicht.
Makedde schrubbte, bis ihre Hände sich rau anfühlten, und gab es schließlich auf, sie sauber zu bekommen. An einigen Stellen war die Haut rosig, an anderen immer noch schwarz. Ihre Fingernägel sahen aus wie nach einer French Manicure mit schwarzem Lack.
»Nachdem ich so kooperativ war, könnten Sie sich ja vielleicht noch ein bisschen mehr anstrengen, den Mörder zu finden«, sagte sie. »Ich weiß, Sie haben wenig Anhaltspunkte, aber …«
»Ich versichere Ihnen, wir tun unser Bestes.«
»Keine neuen Hinweise auf seine
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