Der Fetisch-Mörder
und sie drehte sich um und ließ ihren Blick durch den großen Raum schweifen. Die Schwingtür pendelte leicht, doch es war niemand zu sehen. Die anderen Mädchen machten sich alle eifrig Notizen und hörten aufmerksam zu; außer einigen in modischem Schwarz gekleideten Damen, die angelegentlich über das Bühnenbild diskutierten, war der Raum noch leer.
»Das Finale beginnt mit einem Einzellauf zum Ende des Laufstegs«, fuhr die Koordinatorin fort, »darauf folgt eine halbe Drehung, dann der Gang bis zur Mitte des Laufstegs, dort eine halbe Drehung und schließlich die Schlusspose und der Abgang.«
Die Schlusspose?
Auf die Frage, ob alles klar sei, nickten alle Models, und die Probe begann. Eine imposante Stereoanlage erfüllte den Raum mit einem dröhnenden Dance-Rhythmus, und die erste Gruppe Models betrat den Laufsteg. Innerhalb weniger Sekunden herrschte absolute Verwirrung; die Mädchen stießen zusammen und schafften es in ihren Stöckelschuhen kaum, das Gleichgewicht zu halten. Die nächste Gruppe gab sich mehr Mühe, die festgelegten Schritte und Figuren genau einzuhalten; sichtlich nervös schlurften sie hintereinander her und aneinander vorbei. Die Koordinatorin raufte sich die Haare. Nach einer Stunde vergeblicher Liebesmüh wurden die Bewegungsabläufe der einzelnen Durchgänge verkürzt und vereinfacht.
Und all das für eine einzige Präsentation von zwanzig Minuten.
Schließlich erklärte die Koordinatorin die Probe für beendet und scheuchte die Mädchen zurück in die Umkleide. Loulou tobte. Sie hatten überzogen, so dass ihr bis zum Beginn der Modenschau nur noch fünfundvierzig Minuten blieben, um acht Models zu schminken und acht elegante Hochsteckfrisuren zu kreieren. Loulou arbeitete allein und konnte nicht auf den kaufhauseigenen Schönheitssalon und das dort arbeitende Personal zurückgreifen.
Exakt vierzig Minuten später vergewisserte Makedde sich nach einer perfekt durchorganisierten Schmink- und Frisieraktion gerade, dass auch keine Lippenstiftreste ihre Zähne verunzierten, als Becky Ross in einem tief ausgeschnittenen Cutaway in die Umkleide stolzierte. Heute war ihr Haar sehr lang und hellblond. Makedde vermutete, dass sie es sich hatte verlängern lassen. Becky sah fantastisch aus, auch wenn sie für ihren Auftritt vor den unzähligen Kameras ein bisschen zu aufgedonnert war. Ohne jeden Zweifel hatte sie Stunden mit ihren persönlichen Make-up- und Hairstylisten zugebracht.
Sie schwebte durch die Garderobe, betrachtete die geschminkten, für die Präsentation hergerichteten Models mit ihren Hochsteckfrisuren und sagte, ohne mit der Wimper zu zucken: »Können wir die Haare bitte herunterlassen? Ich möchte langes Haar sehen.«
Die Koordinatorin wurde leichenblass, und Loulou wurde noch bleicher. Die Schau sollte in fünf Minuten beginnen. In aller Eile wurde das Haar der acht Models wieder gelöst, und innerhalb einer Viertelstunde waren sie zum zweiten Mal hergerichtet. Becky posierte auf der Bühne, um den Beginn der Präsentation anzukündigen.
Makedde war die Erste, die auf den Laufsteg hinaustrat, und während sie ihn im gleißenden Scheinwerferlicht entlangschritt, wurde sie von den unsichtbaren Zuschauern genau und kritisch beobachtet. Sie war von stattlicher Statur und ragte in ihren hochhackigen Schuhen mit ihren einsachtzig weit über dem Publikum auf.
Wie immer herrschte hinter der Bühne das reinste Chaos. Bis zum Extrem epilierte Models, die nichts am Leib trugen als ihre fleischfarbenen Stringtangas, rannten umher wie aufgescheuchte Hühner, begleitet von hektischen Ankleidehilfen, die in panischer Hast versuchten, sie rechtzeitig in ihr nächstes Outfit zu zwängen. Einmal hatte Mak nur eine Dreißig-Sekunden-Pause; drei Ankleidehilfen zerrten gleichzeitig an ihr herum wie ein Team beim Tauziehen, um sie in ihre schwarze Strumpfhose zu stopfen, den Reißverschluss ihres Kleides zuzuziehen, sie zu kämmen und herzurichten. Am Ende der Präsentation schritten Makedde und die sieben anderen Models in zwei eleganten Reihen auf die Bühne und spendeten auf die seltsame, nur bei Modenschauen anzutreffende Weise Beifall, bei der die Handflächen aneinander gedrückt bleiben und nur die Finger klatschen. Die Fotografen lächelten, denn sie waren voll auf ihre Kosten gekommen, doch die Modeelite spendete nur verhaltenen Beifall. Obwohl man weder Zeit noch Mühe oder Kosten gescheut hatte, hatte Makedde den leisen Verdacht, dass das Ganze mehr ein Werbegag als eine
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