Der Feuerthron
wirst du dir schon selber fangen müssen! Oder du wartest, bis die neuen Schiffe der Königin die Gurrländer von unseren Meeren vertrieben haben.«
Berrell schnupfte kurz auf, fasste Hannez am Ärmel und zog ihn näher zu sich heran. »Ihr Flussratten seid doch geschickte Leute und habt gewiss eine Ladung Garnelen beiseitegeschafft. Mir könnt ihr doch ein paar davon abgeben.«
»Es sind keine mehr da, denn die letzten wurden vor drei Tagen unter deiner Aufsicht beschlagnahmt«, erklärte Hannez mit mühsam unterdrückter Wut.
An jenem Vormittag hatte Berrell seine Macht ausgenutzt, umseine eigenen Vorratsräume mit dem besten Fisch und anderen Leckerbissen aus Meranehs Vorratskeller zu füllen. Am liebsten hätte Hannez dem Mann ein paar deutliche Worte gesagt, verkniff sie sich aber im letzten Augenblick. Die Zeiten hatten sich so stark gewandelt, dass man kein ehrliches Wort mehr sagen durfte, ohne sich am Pranger wiederzufinden und überdies zu einer deftigen Geldstrafe verurteilt zu werden.
»Was ist jetzt mit meinen Goldgarnelen?« Berrells Stimme riss Hannez aus seinen düsteren Gedanken in die ebenso trübe Gegenwart zurück. »Ich sagte schon, es sind keine da!«
»Dann soll die Wirtin sich welche von einem der Fischer besorgen. Ich will Garnelen essen, und damit basta!«
Vor der Einführung der neuen Gesetze, die angeblich zum Schutze des Reiches erlassen worden waren, hätte Berrell sich niemals so aufführen können, denn die Wirtin und die Fischer hätten sich beim Magistrat der Stadt über ihn beschwert. Nun aber besaß er die Macht, jeden, der ihm missfiel, von den Bütteln verhaften und ins Gefängnis stecken zu lassen. Aus diesem Grund schluckte Hannez die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, wieder hinunter und wandte sich an die anderen Fischer.
»Hat jemand von euch noch ein paar Goldgarnelen zu Hause?«
Zur Antwort bekam er allgemeines Kopfschütteln. Selbst wenn einer der Fischer in seinem Keller noch ein Salzwasserfässchen mit einigen Garnelen stehen hatte, so würde er sie gewiss nicht für jemanden wie Berrell hergeben.
Einer von Hannez’ Freunden stand auf und trat neben den Steuerschätzer. »Selbst Ihre Majestät muss in dieser Zeit auf Goldgarnelen verzichten, weil keiner mehr auf Fang geht. Da können wir für dich keine herbeizaubern.«
»Das heißt nicht für dich, sondern für Euch – oder noch besser: Euer Exzellenz! Verstanden?« Berrell begriff, dass er an diesem Tag keine Goldgarnelen bekommen würde, wollte seinen Ärger aber an dem renitenten Fischergesindel auslassen, das in seinen Augenebenso wenig taugte wie die Schwammtaucher und Muschelsucher aus dem Flüchtlingslager, die man ins Binnenland geschafft hatte.
»Du kannst eine zehnfache Exzellenz sein. Goldgarnelen kriegst du deswegen trotzdem keine!« Hannez’ Freund kehrte Berrell den Rücken zu und stapfte sichtlich erregt zu seinem Platz zurück.
»Girdhan, noch einen Krug!«, rief er aus reiner Gewohnheit. Erst als er diese Worte ausgesprochen hatte, erinnerte er sich daran, dass der Schankbursche ebenso verschwunden war wie Mera, und ballte die Faust. Vor einigen Tagen war er halb verrückt vor Angst gewesen und hatte geglaubt, der Junge sei ein bösartiger Spion der Gurrländer. Mittlerweile bezweifelte er jedoch, dass von Girdhan irgendeine Gefahr für das Reich der Nördlichen Inseln hätte ausgehen können, und fragte sich, ob die hohen Herrschaften im Palast und die Hexen und Adepten im Magierturm noch klar denken konnten.
Hannez trat an seinen Tisch und reichte ihm einen Krug. »Hier! Lass es dir schmecken. Es wird eh das letzte Bier für heute sein. Bald wird der Mitternachtsgong geschlagen, und dann ist jeder draußen!« Hannez’ Blick traf dabei den Steuerschätzer, der schon einmal am Tisch sitzen geblieben war und Meraneh hinterher zu einer Geldbuße wegen Überschreitung der Sperrstunde verdonnert hatte.
Da Berrell so aussah, als wolle er der Wirtin auch an diesem Abend Schwierigkeiten bereiten, winkte Hannez einen der jüngeren Fischer zu sich und köderte ihn mit der Aussicht auf einen Krug Freibier, wenn er den Büttel hole.
15
Als der Stadt büttel eintrat, zog Berrell ein langes Gesicht. Die übrigen Gäste aber begannen zu grinsen und zwinkerten Hannez zu. Die Szene, die nun folgen würde, war ganz nach ihrem Sinn. Der Büttel blieb mitten in der Gaststube stehen und sah mit strengem Blick in die Runde.
»Leute, die Wirtin will, dass der Raum um Mitternacht leer ist. Also trinkt
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