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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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hatte einen schneidenden Unterton bekommen.
    »Nun, Frau Phillips, ich würde natürlich auch gern verhindern, daß die Geschichte sich wie ein Lauffeuer in Waldstein ausbreitet, aber ob ich es tatsächlich kann, ist eine andere Frage. Es hängt nämlich auch vom Opfer ab.«
    »Ach ja, stimmt. Das Opfer – wer ist sie eigentlich? Meinen Sie nicht, daß es endlich an der Zeit wäre, mir ihren Namen zu verraten? Ich werde mich mit ihr in Verbindung setzen. Wahrscheinlich ist sie sogar eines von den Mädchen, die es nur darauf anlegen . . . Oder etwa nicht?« Sie hatte sich abrupt umgedreht, Spott um die Mundwinkel, ihre Augen funkelten siegessicher.
    »Hören Sie zu, Frau Phillips, ich möchte Ihnen raten . . .«
    »Was möchten Sie mir raten?«
    »Eine solche Frau ist sie ganz sicher nicht, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Ich kenne sie persönlich recht gut. Sollte sie auf eine größere Publikmachung verzichten, dann wirklich nur, weil sie . . . gutmütig ist.«
    »Ach, kommen Sie«, sagte sie und winkte abfällig lachendab, »es gibt keinen Menschen auf der Welt, für den man seine Hand ins Feuer legen sollte. Für niemanden! Sie sehen ja, was dabei herauskommt, selbst bei den eigenen Kindern! Also, wer ist es?«
    »Was wollen Sie von ihr?«
    »Mich mit ihr unterhalten. Nichts anderes als mit ihr reden. Und es gibt sicher Mittel und Wege, sie auf eine – sagen wir – angenehme Art zu beeinflussen.«
    »Wenn das, was Sie unter angenehm verstehen, das ist, was ich denke, dann sehe ich schwarz für Sie. Und es ist meine Pflicht, Sie natürlich auch vor ungesetzlichen Schritten zu warnen.«
    »Ihren Namen bitte! Ich brauche sonst doch nur rauszugehen und Nathanael zu fragen.«
    »Angela Siebeck.«
    »Ach die! Ich glaube, ich kenne sie. Das ist doch die junge Frau aus der Bücherei? Na ja, vielleicht haben Sie sogar recht mit Ihrer Einschätzung. Trotzdem, ich werde sie aufsuchen.« Sie ging auf Brackmann zu, blieb dicht vor ihm stehen, ihr Duft war atemberaubend, sie schaute zu ihm auf, als böte sie sich ihm an, und sagte mit einem Hauch Laszivität in der Stimme: »Eines müssen Sie doch wohl zugeben – mein Sohn hat Geschmack bewiesen.«
    Er trat einen Schritt zurück. »Sie sind zynisch, Frau Phillips! Beantworten Sie mir eine Frage – lieben Sie Ihren Sohn?«
    »Nathanael?« Sie starrte Brackmann erstaunt an und sagte verkniffen lächelnd: »Was erlauben Sie sich eigentlich? Natürlich liebe ich meinen Sohn! Ich liebe ihn genau wie meine Tochter. Was glauben Sie, weshalb ich mich wie eine Löwin für ihn einsetze?!«
    Brackmann nahm seinen ganzen Mut zusammen, um das auszusprechen, was er sonst nur zu denken gewagt hätte: »Ich glaube, Sie tun es nicht, weil Sie ihn lieben. Alles, wasSie wollen, ist Schadensbegrenzung zu betreiben. Ihr Sohn ist nur zweitrangig. Sie fürchten um Ihren guten Ruf, genau wie Ihr Mann. Sie fürchten, diese kleine Stadt könnte Sie in der Luft zerreißen. O ja, ich weiß, kleine Städte können grausam sein, nichts bleibt verborgen, jeder kennt jeden, Geheimnisse bleiben nie lange Geheimnisse, überall brodelt die Gerüchteküche, und an jeder Ecke wird getuschelt. Waldstein ist keine Großstadt, in der man anonym bleibt, in der jeder sein kleines Mauseloch hat, in das er sich verkriechen kann. Hier hört jeder jederzeit mit. Sie haben Angst, Frau Phillips, nichts als Angst!«
    Ihre Nasenflügel bebten, Zornesröte überzog ihr Gesicht, ihre Augen waren nur noch schmale, messerscharfe Schlitze. Als überlegte sie, wie sie Brackmann am einfachsten und schnellsten einen Todesstoß versetzen konnte. Doch mit einem Mal hatte sie sich wieder unter Kontrolle, ihr Körper entspannte sich, sie lächelte sogar. Ein berechnendes Lächeln, das ihre Gedanken verriet.
    »Vielleicht haben Sie sogar recht. Doch was soll’s, Ihnen kann doch egal sein, mit welchen Intentionen ich meine Ziele verfolge. Natürlich ist Waldstein, wie jede andere Stadt, ein schlummernder Vulkan, der nur einen winzigen Anstoß braucht, um zu explodieren. Aber gerade das will ich verhindern. Ich will verhindern, daß Waldstein auf
unsere
Kosten explodiert. Ich will nicht, daß wegen einer Angelegenheit, die es nicht wert ist . . .«
    »Sie ist es wert!«
    ». . . unnötig viel Staub aufgewirbelt wird. Waldstein soll einfach weiterschlafen, so wie es das all die vergangenen Jahre getan hat. Ist dieser Wunsch denn so verwerflich?«
    »Nein, im Prinzip nicht . . .«
    »Aber?«
    »Er wird auf dem Rücken Ihres Sohnes

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