Der Finger Gottes
lang, zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, nein, seit vielen Ewigkeiten, das Gefühl hatte, der Mittelpunkt und damit ungeheuer wichtig zu sein.
»Brackmann, unser guter, unauffälliger Polizist«, sagte sie und ließ ihre Worte wirken. »Vielleicht solltet ihr ihn mal fragen. Nachdrücklich fragen . . .«
Ein breites ungläubiges Grinsen überzog Jonas’ Gesicht. »Du verblüffst mich, Margrit!« sagte er grinsend, konnte aber selbst jetzt eine spitze Bemerkung nicht unterlassen: »Da dachte ich, der Schnaps hätte deinen Verstand längst fortgespült – und dann so was! Schenk dir noch einen ein, liebste Schwägerin, du hast ihn dir redlich verdient.«
»Gottverdammter Hurensohn!« stieß sie leise hervor.
»Wie gehen wir jetzt vor?« fragte Jonas. »Soll ich mal bei Phillips anrufen?«
Martin nickte, Victor rührte sich nicht, Margrit trank Bourbon, Jonas lief zum Telefon, wählte die Nummer von Phillips, der selbst am Apparat war.
»Hier Jonas. Martin und ich sind eben heimgekommen und haben von dem furchtbaren Unglück gehört. Wir wolltenuns erkundigen, wie es euch geht. Ich hoffe doch, ihr habt alles gut überstanden, oder?«
»Was willst du wirklich? Du rufst doch nicht einfach nur an, um dich nach unserem Befinden zu erkundigen!«
»Nein, nein, glaub mir, ich will wirklich nur wissen, ob dir und deiner Familie gestern nacht auch nichts passiert ist, es geht ja schließlich auch um unsere Schwester.«
»Bei uns ist alles in Ordnung. Noch was?«
»Hast du irgendwas sonst gehört? Wie geht es den andern? Den Oberts zum Beispiel?«
»Keine Ahnung, hab sie nicht gesehen.«
»Hm – und auch nichts gehört?«
»Warum willst du das wissen?«
»Einfach so, interessiert mich eben.«
»Dich interessiert nie was nur einfach so!«
»Schon gut, vergiß es! Und die Polizei, hast du was von ihr gehört?«
»Allerdings hab ich das! Brackmann hat vor ein paar Minuten Nathan abgeholt . . .«
»Nathan? Was will er denn mit dem?«
»Er soll angeblich gestern nacht eine Frau vergewaltigt haben.«
»Euch fällt auch nichts Besseres ein, was? Aber wenn ihr Hilfe braucht, sagt Bescheid. Um wen handelt sich’s denn?«
»Tut nichts zur Sache. Außerdem kommen wir allein damit zurecht. Du mußt es ja nicht gleich in der Welt rumposaunen.«
»Wenn hier jemals einer was rumposaunt hat, dann warst du das, Schwager! Grüß meine Schwester von mir. Ach so, sie wird ja nachher noch kommen . . .« Jonas legte auf, ohne eine Erwiderung abzuwarten, die Stirn in Falten.
»Ich weiß nicht, ob das mit Brackmann hinhaut. Er hat eben Nathanael verhaftet. Das Bürschchen hat gestern nacht seinen Schwanz nicht unter Kontrolle gehabt. Hat ihn in einMädchen gesteckt, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Brackmann hat ihn eingebuchtet. Ich glaube, Brackmann können wir, was Sarah und Csilla angeht, abhaken, der hat sich mit anderen Problemen rumzuschlagen.« Er schaute zur Uhr. »Eigentlich ist meine Zeit begrenzt, um sechs steht eine Pressekonferenz an, aber vorher werde ich zunächst mal Engler einen kurzen Freundschaftsbesuch abstatten. Sollten sie wider Erwarten bei ihm untergekrochen sein, dann kriege ich das sofort raus. Außerdem werde ich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sondern es in eine . . . sagen wir, Geste der Nächstenliebe verpacken; eine großzügige Spende für in Not geratene Mitbürger, und ganz beiläufig spreche ich ihn auf Sarah und Csilla an. Er kann es sich eigentlich nicht leisten, uns anzulügen. Was haltet ihr von meinem Vorschlag? Eine Spende ist zudem eine sehr wirkungsvolle PR. Die Leute werden uns die Füße küssen.«
»Einverstanden«, sagte Martin und holte aus einer Box auf dem Tisch eine Zigarre. Er schnitt das Endstück ab, steckte sie in den Mund, zündete sie an. Paffte ein paarmal kräftig, stieß dicke Rauchwolken aus. »Wir müssen sie herbringen, egal wie, und dann garantiere ich, werden sie dieses Grundstück nie wieder verlassen!« Er kniff die Augen zusammen und stellte sich wieder ans Fenster. »Ganz gleich, was ihr denkt, ich will, daß alle befragt werden – Pickard, Obert, Reuter, Engler, Merkel, selbst Charlie und sein Saufkumpan, dieser . . . egal, ihr wißt, wen ich meine, und all die anderen. Die Frauen können sich nicht in Luft aufgelöst haben, sie stecken irgendwo hier.«
»Wir haben Unrecht getan«, sagte Margrit, während sie in ihr wieder gefülltes Glas schaute. »Und das Unrecht wird sich rächen.«
»Du faselst den gleichen Scheißdreck wie
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