Der Finger Gottes
schön – wir sollen die Hungernden speisen und die Nackten kleiden. Sie sehen, diesen Grundsatz haben sich auch die Vandenbergs zu eigen gemacht. Auch wir leben nach christlichen Grundsätzen, Engler. Und Nächstenliebeist doch, soweit ich weiß, einer der wichtigsten Grundsätze. Helfen Sie mit, Csilla und Sarah zurückzubringen. Das wäre dann Ihr Beitrag zur Nächstenliebe. Csilla ist krank, das wissen Sie doch. Sie wird sich in dieser grausamen Welt allein nicht zurechtfinden.« Bei den letzten beiden Sätzen grinste Jonas Vandenberg wieder, stand dann auf. »Ich lasse bald von mir hören. Und Sie finden inzwischen heraus, wo die beiden sind.«
Vandenberg verließ Engler grußlos, ließ die Tür offenstehen. Engler schloß die Augen, sein Herz klopfte in schnellem Stakkato. Er hatte Angst. Die Vergangenheit setzte zum Überholen an, und Engler hatte keine Kraftreserven mehr.
Einen schweren Fehler hatte er in seinem Leben begangen, einen einzigen, verdammten Fehler! Er wußte nicht, warum er es tat, aber er griff zum Telefon, wählte die Nummer der Polizei. Engler bat Brackmann zu kommen.
Brackmann funkte Schmidt an, beorderte ihn ins Büro zurück. Dann fuhr er zu Engler.
»Also, was wollte Herr Vandenberg?« fragte Brackmann.
»Ich kann es Ihnen nicht einmal genau sagen. Wenn ich von dem ausgehe, was angeblich seine Absichten sind, dann würde ich sagen, er meint es nur gut mit Waldstein. Aber ein Jonas Vandenberg tut nie etwas uneigennützig. Er will den Menschen hier finanziell unter die Arme greifen. In Wirklichkeit aber sucht er seine Schwägerin und seine Nichte. Wo sind sie?«
»Gut, wenn er Geld spenden will, dann wollen wir ihn auch nicht daran hindern. Deshalb wird er noch längst nicht seine Schwägerin und Nichte bekommen.«
»Sagen Sie mir, wo die Frauen sich aufhalten. Er hat mich gefragt, und ich hätte ihm leicht sagen können, er solle sich an Sie wenden. Ich habe es nicht getan. Finden Sie nicht, daß Sie mir etwas schuldig sind?«
»Ich bin Ihnen gar nichts, aber auch rein gar nichts schuldig! Außerdem, warum sollte ich Ihnen glauben? Und warum wollen Sie unbedingt wissen, wo die Frauen sind? Was wollen Sie von ihnen?«
»Weil ich helfen will. Weiter nichts.«
»Wem wollen Sie helfen, mir oder den Frauen?«
»Ihnen, Brackmann.«
Brackmann schüttelte den Kopf. »Ich halte es nicht für gut, wenn zu viele ihren Aufenthaltsort kennen. Auch wenn Sie jetzt eingeschnappt sind – ich möchte es Ihnen nicht sagen. Das hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun, es ist einfach nur eine Vorsichtsmaßnahme.«
»Schön«, stieß Engler sichtlich enttäuscht hervor, »dann lassen wir’s. Ich hätte Ihnen gerne geholfen.«
»Wenn Sie mir wirklich helfen wollen, wenn Sie den Frauen helfen wollen, dann sollten Sie endlich mit der ganzen Wahrheit rausrücken! Sind Sie denn nun Priester, oder stehen Sie auf der anderen Seite? Behaupten Sie nicht einfach nur, helfen zu wollen, sondern tun Sie was! In dieser Stadt ist ein Verbrechen begangen worden, und allem Anschein nach sind mehrere Menschen darin verwickelt. Und wenn einer darüber Bescheid weiß, dann Sie! Wenn Sie also mit mir an einem Strang ziehen möchten, wenn Sie die Wahrheit ans Licht bringen wollen, dann arbeiten Sie mit mir zusammen! Die Vandenbergs haben Dreck am Stecken, und Sie wissen das.«
»Warum sind Sie so erpicht darauf, den Vandenbergs eins auszuwischen? Was haben Sie gegen diese Familie? Schließlich haben sie eine Menge für diese Stadt getan, die meisten Bürger sind ihnen auf die eine oder andere Weise verpflichtet.«
»Und das berechtigt natürlich dazu, ein Verbrechen zu begehen oder zu vertuschen! Mein Gott, ich komme mir vor wie in einem Irrenhaus! Warum, um alles in der Welt,nehmen Sie sie in Schutz? Stehen Sie etwa auch in ihrer Schuld? Haben die Sie in der Hand? Was, zum Teufel, ist hier eigentlich los?! Sie bestellen mich hierher, und ich Idiot denke, Sie würden mir helfen, und dann dreschen Sie doch wieder nur leere Phrasen, von wegen wie gut es die Vandenbergs doch meinen . . .«
»Ich möchte nur nicht, daß unnötig viel Staub wegen einer Sache aufgewirbelt wird, die es vielleicht gar nicht wert ist. Das ist alles.«
»Fast genau den gleichen Satz habe ich vor ein paar Minuten schon einmal aus einem anderen Mund gehört! Aber es geht hier um Mord! Und dafür ist es allemal wert, verdammt viel Staub aufzuwirbeln, merken Sie sich das!«
»Ich lebe seit mehr als dreißig Jahren in Waldstein. Ich hatte
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