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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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verlangte wortlos ein neues.
    »Hast du vorhin Pickard gesehen?« Charlie hatte weißenSchaum um den Mund, den er sich mit dem Handrücken abwischte, er rülpste laut und langgezogen.
    »Nein, warum?« fragte Toni zurück.
    »Ist eben in seiner Leichenkutsche vorbeigerauscht. Aber wenn ihr nichts wißt …« Er zuckte gelangweilt mit den Schultern und wechselte sofort das Thema. »Sieht aus, als wenn’s heut noch ’n verdammtes Gewitter gibt.«
    »Gewitter? Mehr, Charlie, ’s wird mehr als nur ’n Gewitter geben«, nuschelte Willy.
    »Woher willst’n das wissen? Bist vielleicht ’n Wetterfrosch?«
    »Bestell mir noch ’n Bier, und ich sag dir, woher ich’s weiß.«
    »Einverstanden, aber dafür will ich ’ne verdammt gute Geschichte hören, kapiert?« verlangte Charlie. Willy verzog keine Miene.
    »Hier«, sagte Willy, auf seinen linken Oberschenkel deutend, »hier spür ich’s. Sagt mir, daß es heut nacht oder morgen mehr als nur ’n Gewitter geben wird. Irgendwo da draußen braut sich was zusammen.«
    »Hast schon wieder zuviel gesoffen, alter Freund! Aber gut, sag, was an deinem gottverdammten Bein so Besonderes ist. Auch wenn ich zu alt für so ’n Scheiß bin.«
    »Da war mal was mit ’nem Weib. Ihr Alter ist dahintergekommen und hat mir ’n Messer da reingestoßen. Kann von Glück reden, daß er nich ’n paar Zentimeter höher getroffen hat! Der hätt mich glatt kastriert! Wenn’s ’n Gewitter gibt, isses immer nur ’n leichtes Ziehen, diesmal isses anders. Seit heut morgen brennt das verdammte Ding wie Höllenfeuer!«
    Charlie antwortete nichts darauf, überlegte, trank aus seinem Glas. »Kann ich mal sehen?« fragte er dann.
    »Wenn du willst. Meinst wohl, der alte Willy will dich verarschen, was?«
    »He, he, du willst dich doch wohl nicht jetzt und hier ausziehen?« fragte Toni breit grinsend, als Willy seine Hose aufknöpfte.
    »Klar, warum nicht? Oder hast du noch nie ’n Mann in Unterhosen gesehen? Außerdem seh ich auch keine Damen hier und auch keine kleinen Kinder.« Willys schneeweiße knöcherne Beine schälten sich aus der Hose. Eine breite rotglänzende Narbe zierte die Außenseite seines linken Oberschenkels.
    »Hast recht, Willy. Und du meinst tatsächlich, das Ding da ist so was wie ’n Sender?«
    »Klar, Mann, sieh sie dir doch an, normalerweise ist sie ganz weiß.« Er zog die Hose wieder hoch.
    »Und du bist wirklich sicher? Ich meine, absolut sicher, so sicher wie das Amen in der Kirche? Nichts und niemand kann dich davon abbringen, daß es mehr als nur ’n Gewitter geben wird?«
    »Nee!« erwiderte Willy und schüttelte energisch den Kopf. »Nichts, nicht mal ’n verdammtes Bier?«
    »Nee, mein lieber Charlie, nicht mal ’n Bier. Auch nicht hundert. Es wird kommen. Das Böse wird kommen.«
    Toni schaltete das Radio ein. »Mal sehen, ob der Wetterbericht irgendwas sagt.«
    »Blödsinn!« bemerkte Charlie kopfschüttelnd. »Willy redet dummes Zeugs. Verdammt dummes Zeugs. Stimmt’s, Willy?«
    Willy war diese Einschätzung scheißegal. Das Radio spielte Musik. Bis zu den Nachrichten waren es noch zwanzig Minuten.

Kapitel 5
    Während Willy, Charlie und Toni auf die Vier-Uhr-Nachrichten warteten und sich anschwiegen, saß Dr. Reuter auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer, das durch eine jetzt offenstehende Schiebetür mit der Praxis verbunden war. Er saß vornübergebeugt, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt, den Kopf zwischen den Händen, immer wieder fuhr er sich kräftig durch das graue Haar. Ab und zu hob er seinen Blick und schaute kurz zu dem Haus hinüber, in dem noch bis vor weniger als zwei Stunden Maria Olsen gelebt hatte.
    Er hatte sie geliebt, weiß Gott, das hatte er! Und er war überzeugt, auch sie mußte zumindest ähnlich für ihn empfunden haben, das hatte er immer gespürt. Sie hatte es ihm nie wirklich gezeigt, aber wäre es nicht so gewesen, warum hatte sie dann so oft für ihn gekocht und so manchen Abend mit ihm verbracht? Sie konnten sich gut miteinander unterhalten, genauso gut konnten sie aber miteinander schweigen, abends auf der Terrasse, wenn das lauteste Geräusch der durchdringende Gesang der Zikaden war. Und nun? Maria Olsen, zum Teufel, warum hast du das getan? Warum hast du dich nicht von mir untersuchen lassen??!
    Die Türglocke schlug an. Erst beim zweiten Klingeln reagierte Reuter. Er erhob sich mühsam, schlurfte zur Tür, ein uralter, müde gewordener Mann. Engler stand draußen, das Gesicht schweißüberströmt, ein Taschentuch

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