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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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ist schlecht«, erwiderte sie verlegen. »Andy sollte auch dabeisein. Er kann aber nachmittags noch nicht.« Sie sah Engler bittend an. »Ginge es vielleicht schon … heute abend? Es ist wirklich dringend!«
    Engler wiegte den Kopf hin und her, nickte schließlich. Carolines Benehmen war anders als sonst, bedrückt, traurig, schwermütig, gehetzt.
    »Halb neun ist okay. Danke, Herr Pfarrer«, sagte sie erleichtert. »Ich werde Andy Bescheid sagen.«
    Engler sah ihr verwundert hinterher. Schweiß lief über sein Gesicht, den Hals, die Brust, den Rücken, tränkte seine Kleidung. Er hatte Durst, seine Finger und Füße waren geschwollen. Er überquerte den Marktplatz, blieb kurz stehen, beobachtete Frau Schneider beim Taubenfüttern und lächelte ihr zu. Jeden Tag um diese Stunde traf man sie hier, wenn sie sich die Zeit mit dem Füttern der Tauben vertrieb, bis ihr Mann um halb sechs aus dem Rathaus kam. Die beiden lebten zurückgezogen in einem kleinen blitzsauberen Haus am Stadtrand, Sonntagmorgens gehörten sie immer zu den ersten, die auf der Kirchenbank Platz nahmen, in der zweiten Reihe, links außen, die Hände wie frisch Verliebte haltend. Ihre Ehe war kinderlos geblieben, was aber ihrer Zuneigung keinen Abbruch getan hatte, doch der Name Schneider würde mit ihnen aussterben, zumindest in Waldstein.
    Brackmanns Streifenwagen parkte vor dem Büro. Die Tür zu Tonis Kneipe stand offen. Eine Ewigkeit war seit Englers letztem Besuch bei Toni vergangen. Ihm behagte die Kneipenatmosphäre nicht, er hatte nie etwas dafür übrig gehabt, er genoß lieber seine Ruhe bei einem Glas Sherry, einer Pfeife und einem guten Buch. Dennoch beschloß er, Toni heute einen Besuch abzustatten.
    Charlie und Willy saßen gedankenversunken an der Theke. Toni war gerade dabei, die Stühle für die Nach-sechs-Uhr-Kundschaft von den Tischen auf den Boden zu stellen.
    »Guten Tag.«
    Charlie und Willy drehten beide gleichzeitig die Köpfe in Richtung Tür.
    »Tag«, murmelte Charlie, Toni kehrte hinter den Tresen zurück.
    »Herr Pfarrer! Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?« fragte er grinsend. Engler grinste einfach zurück.
    »Oh, eigentlich nichts weiter, aber da ich Sie ja sonst nie zu Gesicht bekomme, dachte ich mir, wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann geht eben der Prophet zum Berg, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Hä? Was war das eben? Muß ich vielleicht Buße tun, oder so was?« fragte Toni mit einem noch breiteren Grinsen.
    »Um Himmels willen, nein! Alles was ich will, ist ein Bier. Und zwar ein schönes, großes kaltes Bier. Ist Ihre Frau da?«
    »Nein, sie ist noch immer bei ihrem Vater in Flensburg. Sie hat gestern abend angerufen. Wird wohl endgültig bald zu Ende gehen. Auch wenn ich dem alten Herrn nichts Böses wünsche, ich hätte sie schon ganz gerne mal wieder bei mir. Allmählich geht mir das Alleinsein nämlich auf den Wecker.«
    »Wie lange ist sie schon weg?«
    »Seit drei Monaten. Sie ist halt die einzige Verwandte.« Er schenkte das Bier ein, wechselte geschickt das Thema. »Übrigens, spüren Sie auch das Unheil, das auf Waldstein zukommt?« fragte er wie beiläufig, während er das Bier vor Engler stellte und mit dem Kopf in Willys Richtung deutete. »Willy behauptet das jedenfalls.«
    »So? Vielleicht hat er ja recht.«
    »Seht ihr, wenigstens jemand, der zu mir hält.«
    »Ich habe Ihnen nicht zugestimmt, Willy. Ich habe nur gesagt, daß es so sein könnte. Lassen wir uns einfach überraschen.«
    »Ist jemand gestorben?« fragte Toni neugierig, Gesprächsstoff war in diesem armseligen Nest immer rar. Ein Todesfall, auch ein natürlicher, zählte schon zu den außergewöhnlichen Ereignissen.
    »Ja«, antwortete Engler kurz und knapp, trank einen Schluck und wischte sich anschließend mit dem Handrücken den Schaum vom Mund.
    »Und wer? Oder darf man das noch nicht erfahren?« Toni lehnte sich mit sensationslüsternem Blick auf den Tresen.
    »Maria Olsen«, sagte Engler und leerte das Glas.
    Charlie, Willy und Toni starrten wie auf Kommando Engler an, das Grinsen war von Tonis Gesicht verschwunden.
    »Wer soll gestorben sein? Maria Olsen?« fragte Toni und stellte sich kerzengerade hin, sein kugeliger Bauch berührte das blanke Metall des Tresens. »Mein Gott, wie konnte das passieren? Ich hab sie doch noch heute morgen gesehen, und da wirkte sie . . . na ja, putzmunter würde ich nicht gerade behaupten, aber . . . Verdammt, ich kann es einfach nicht glauben!«
    »Es war ein

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