Der Finger Gottes
Also gut, aber nur zwei. Und Sie versprechen mir hoch und heilig – kein Sterbenswörtchen?! Ich fürchte, die würden mich als Hexe verbrennen, wenn sie es erführen.«
»Meine Lippen sind versiegelt.«
»Phillips, Pickard, um nur zwei zu nennen. Ja, ja, schauen Sie mich nicht so entgeistert an, es stimmt schon, die liebe Frau Bürgermeisterin und selbst das Schandmaul Esther Pickard. Genügt Ihnen das?«
»Wow, nicht schlecht! Und Sie?« Kaum hatte er die letzte Frage ausgesprochen, schloß er für eine Sekunde die Augen, er hätte sich für diese maßlose Taktlosigkeit ohrfeigen können.
Angela Siebeck blickte Brackmann mit zusammengekniffenen Augen an und zischte wütend: »Ich weiß zwar nicht, was Sie von mir halten, aber ich nehme doch an, ich würde Ihnen das alles nicht erzählen, wenn ich selbst mit Scherer . . .« Sie hielt für einen Moment inne, blieb erneutstehen, fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Scherer widert mich an. Er ist ein ungewaschenes, ungehobeltes Subjekt. Alles, was er treibt, widert mich an. Ich glaube, ich würde mich übergeben, wenn er mich nur anfassen würde! Was ich weiß, weiß ich einzig und allein aus der Bücherei. Sie wissen doch, man trifft sich, tauscht ein paar Nettigkeiten, Neuigkeiten und Gemeinheiten aus, tratscht, wirft mit Gerüchten um sich, macht diesen und jenen schlecht, hier eine schnippische Bemerkung, dort ein wenig geheucheltes Verständnis . . . Wenn Sie wirklich wissen wollen, was hier im Ort los ist, dann kommen Sie einfach mal für einen Nachmittag vorbei und sperren Sie Ihre Ohren auf. Sie werden sich wundern! Und die armen Männer – oder sollte ich besser sagen Idioten? – der Frauen sitzen in ihren Büros oder arbeiten in ihren Werkstätten und denken, die liebe Gattin hätte nichts Besseres zu tun, als das Haus in Ordnung zu halten und für die lieben Kleinen zu sorgen und voll Sehnsucht auf die Heimkehr des Gatten zu warten! Aber um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, es sind nicht alle Frauen hier so, falls Sie das denken sollten.« Sie holte tief Luft, doch bevor Brackmann eine Frage loswerden konnte, fuhr sie schon fort: »Wissen Sie, es ist eigentlich nicht so sehr die Tatsache, daß die Frauen ihre Männer betrügen, viele von denen tun wahrscheinlich das gleiche mit ihren Frauen. Was mich so anwidert: Jeder hier weiß, wie Scherer wirklich ist, wie er mit seiner Frau umspringt, und alle zeigen mit Fingern auf ihn, und jeder tut so, als wären er oder besser sie die letzten, die etwas mit ihm zu tun haben wollen . . . Mein Gott, hier wird geheuchelt, daß sich die Balken biegen! Aber wenn es keiner sieht, machen die Weiber die Beine breit.«
»Tja, so ist das Leben«, sagte Brackmann und fügte hinzu: »Was würden Sie denken, wenn ich Ihnen sagen würde, daß in Waldstein ein Mord begangen wurde?«
Sie lächelte, antwortete: »Nun ja, das mit Scherer ist schon ein starkes Stück, aber ein Mord?« Sie schüttelte den Kopf. »Das sind zwei paar Stiefel. Wer sollte hier einen Mord begehen? Ich würde sagen, das ist starker Tobak. Zu starker Tobak. Ist es doch, oder?«
Brackmann nickte. »Sicher, ist es. Ich wollte nur Ihre Reaktion testen.«
»Ich glaube, in Waldstein ist noch nie ein Mord begangen worden. Höchstens Rufmord.«
Sie waren vor ihrer Wohnung angekommen, einem neuen Mehrfamilienhaus, das den Vandenbergs gehörte, etwa zehn Minuten von der Bücherei und nur wenige Meter vom Ortsausgang entfernt. Sie holte den Schlüssel aus ihrer Tasche, steckte ihn ins Schloß, sagte mit dem Rücken zu Brackmann gewandt: »Tut mir leid, was ich eben über Scherer gesagt habe. Es war nicht richtig von mir, auch wenn die Geschichten stimmen. Ich beteilige mich normalerweise nicht an Gerüchten, das müssen Sie mir glauben.«
»Es sind keine Gerüchte, wie Sie selbst sagen. Und – kein schlechtes Gewissen. Ich verspreche, ich werde schweigen wie ein Grab. Einen schönen Abend noch, und schlafen Sie gut.«
»Haben Sie heute noch Dienst?« fragte sie, während sie die Tür aufschloß.
»Nein, für mich ist heute Schluß. Schmidt hat Nachtdienst.«
»Dann gute Nacht.« Sie öffnete die Tür und wollte gerade das Haus betreten, als Brackmanns Stimme sie zurückhielt. »Eine Frage noch, Frau Siebeck. Was wissen Sie über die Vandenbergs?«
Angela Siebeck drehte sich um und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß zwar nicht, warum Sie mir diese Frage stellen, aber . . . Nun, eigentlich kenne ich sie nur vom Hörensagen. Zu tun hatte
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