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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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doch mal das Radio an«, sagte sie, als er hereinkam. »Ich möchte die Nachrichten hören.«
    »Seit wann interessierst du dich für die Nachrichten?« fragte Georg und drehte den Knopf an dem Gerät. Es dauerte einige Sekunden, bis die Röhren Betriebstemperatur erreicht hatten und das magische Auge zu einem schmalen Schlitz wurde.
    »Was kümmert es dich? Ich will sie eben hören.«
    Die Nachrichten waren die gleichen belanglosen wie den ganzen Tag über. Der Kanzler erholte sich nach einer schweren Lungenentzündung ein paar Tage am Wolfgangsee, wo es im Moment bestimmt eher auszuhalten war als in Waldstein, der französische Staatspräsident wurde für morgen vormittag in Bonn erwartet, eine Gruppe von achtzig Albanern war beim illegalen Grenzübertritt in Österreich geschnappt worden, ein Mann aus Oslo hatte erst seine Frau und anschließend die fünf Kinder erschossen, bevor er sich selbst richtete. Im mittleren Westen der USA hatte ein Tornado schwere Verwüstungen angerichtet, glücklicherweise gab es keine Toten zu beklagen. Der ausführliche Wetterbericht kündigte für die Nacht vereinzelte Gewitter an, unter Umständen müsse aufgrund der komplizierten Wetterlage sogar mit Hagelstürmen gerechnet werden. Danach wieder Musik.
    Esther blickte auf. »Könnte so einer auch bei uns durchkommen?« fragte sie zwischen zwei Bissen. »Was meinst du?«
    »Na, so ein Tornado!«
    »Wieso, wer sagt was von Tornado?«
    »Hörst du nicht zu?! Die Nachrichten natürlich!«
    »Das ist in Amerika!«
    »Ich will nur wissen, ob so was auch hier passieren könnte …«
    »Klar.« Georg überlegte, während er seine Zähne in dasSalamibrot grub. Er kaute schmatzend, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, biß von der Gurke ab, sagte: »Klar, warum nicht?«
    »Dann fliegt hier ja alles weg! Wie schrecklich!« sagte sie ängstlich, doch die Ängstlichkeit war nur gespielt, wie so vieles an Esther nur gespielt war; nur wenn sie andere verletzte, bösartige Bemerkungen machte oder wütend war, dann spielte sie nicht. Georg hatte gelernt, ihre Launen zu ignorieren.
    »Quatsch, ich hab noch nie einen erlebt und du auch nicht! Und wieso ausgerechnet heute?! Und bei uns schon gar nicht.«
    »Und was, wenn doch heute?«
    »Dann kannst du nur hoffen und beten, daß er nicht gerade unser Haus trifft.«
    Esther gab sich mit der Antwort zufrieden, wenige Sekunden später hatte sie das kurze Gespräch vergessen. Wie Georg trank auch sie eine Flasche Bier. Als sie ausgetrunken hatte, stieß sie leise auf. Während sie den Tisch abräumte, sagte sie: »Und ich sage dir, das mit Scherer ist eine Strafe Gottes!«
    Georg rülpste, lehnte sich zurück, beobachtete seine Frau, reagierte ungehalten. »Fängst du schon wieder mit diesem Scherer an?! Was geht mich dieser gottverdammte Hurenbock an?«
    Esther hielt in der Bewegung inne, drehte sich, in jeder Hand einen Teller, zu Georg um, die Augen verengt zu Schlitzen. »Wie meinst du das mit
Hurenbock?
«
    »So, wie ich es gesagt habe.«
    »Was für Ausdrücke du neuerdings gebrauchst! Mein Gott, wenn ich mir vorstelle, unser Herr Pfarrer würde dich so hören!« sagte sie kopfschüttelnd, stellte die Teller in die Spüle, hielt einen Lappen unter den Wasserhahn und wischte den Tisch ab.
    »Er hört mich aber nicht, und außerdem weiß er selber, was mit Scherer los ist. Und wenn einer ein Hurenbock ist, dann nehme ich mir auch das Recht, das zu sagen«, erwiderte Georg gelassen. »Und außerdem sage ich es ja auch nur zu dir und niemandem sonst.«
    »Trotzdem, was meinst du mit
Hurenbock?
«
    »Was gibt’s da großartig zu erklären? Als wenn du’s nicht selbst wüßtest! Scherer hurt rum, das ist alles. Das weißt du, das weiß ich, das wissen so ziemlich alle. Und wenn einer rumhurt, ist er ein Hurenbock. Ganz einfach, oder?«
    »Scherer und rumhuren! Daß ich nicht lache! Als wenn den einer auch nur mit der Kneifzange anfassen würde! Aber wenn du meinst, Pickard! Ich werde dir nicht mehr widersprechen, auch wenn ich deine Ausdrucksweise nicht billige.«
    Georg beendete das Thema, indem er einfach schwieg. Ihn kotzte dieser Scherer an. Er ließ schon lange seine beiden Autos nicht mehr bei ihm reparieren, sondern brachte sie nach Hof in die Werkstatt, auch wenn dies jedesmal über eine halbe Stunde Fahrt bedeutete.
    Georg verließ die Küche, holte sich vom Wohnzimmertisch die Pfeife, stopfte sie mit ruhiger Hand, stellte sich auf die Terrasse, zündete die Pfeife an. Die Sonne

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