Der Finger Gottes
blödsinnigsten Gedanken gedacht«, sagte Caroline.
Engler drehte sich mit strafendem Blick abrupt um. »Und welche?« fragte er streng.
»Wir wissen keinen Ausweg! Wie Sie schon sagten, das eigentliche Problem sind unsere Eltern. Wie sollen wir ihnen das alles nur erklären?«
Englers Miene blieb ernst, doch die Strenge war aus seinen Augen gewichen und hatte einem fast gütigen Ausdruck Platz gemacht. »Die meisten Eltern sind gar nicht so schlimm, wie ihre Kinder häufig annehmen. Und eure schon gar nicht. Ich bin sicher, sie werden es verstehen, wenn ihr es nur geschickt genug anfangt. Und sie werden euch auch ganz sicher helfen. Natürlich kann ich mir vorstellen, daß die erste Reaktion wahrscheinlich nicht gerade ein Begeisterungsausbruch sein wird, aber sie werden sich auch wieder beruhigen. Ihr seid schließlich ihre Kinder.«
»Sie kennen meine Eltern nicht!« seufzte Andy. »Sie sind nicht ganz so, wie sie sich sonntags in der Kirche geben.«
»Und du solltest jetzt nicht ungerecht werden! Deine Eltern können nichts für euer . . . nennen wir es einfach Mißgeschick. Sagt mir eine andere Möglichkeit, als mit ihnen zu sprechen. Ihr könnt natürlich abhauen, alle Zelte hinter euch abbrechen . . .«, Engler holte tief Luft, kniff die Lippen zusammen, ». . . aber wäre das wirklich ein Ausweg odereine Lösung?« Er nahm eine zur Hälfte gefüllte Karaffe aus der Vitrine und hielt sie hoch. »Möchtet ihr einen Sherry? Ich bin der Ansicht, wer Kinder kriegt, kann auch einen kräftigen Schluck vertragen.«
Die jungen Leute schüttelten den Kopf. »Nein, lieber nicht.«
»Ich mache euch einen Vorschlag«, sagte Engler, während er sich einschenkte, »wir sprechen zusammen mit euren Eltern. Und zwar hier bei mir. Allerdings nur, wenn ihr einverstanden seid.«
Caroline wurde blaß. »Ich habe Angst davor.«
»Wir wollten eine Lösung und keinen Ärger!« sagte Andy. »Nennt mir eine bessere Lösung. Ich will euch nur helfen. Ihr steckt ziemlich tief im Schlamassel, und irgendwie müßt ihr da wieder raus. Ich könnte natürlich allein mit ihnen sprechen, aber, und ich denke, da stimmt ihr mir zu, das würden sie euch erst recht übelnehmen. Und wenn ihr es lange hinausschiebt, dann wird euer Ärger erst richtig groß sein, denn verheimlichen kann Caroline es höchstens noch einen, maximal zwei Monate. Sie werden euch dann zu Recht fragen, warum ihr es ihnen verheimlicht habt. Und was werdet ihr ihnen dann antworten?«
Es entstand eine Pause, während der Engler sich ein zweites Glas Sherry einschenkte, es an die Lippen setzte und in einem Zug leerte.
»Und wann?« fragte Caroline nach einer Weile.
»Ich bin immer der Ansicht gewesen, wichtige Dinge sollten nie auf die lange Bank geschoben werden. Sind eure Eltern jetzt zu Hause?«
Andy nickte. »Hat es nicht Zeit bis morgen oder übermorgen? Ich meine . . .«
»Was ist bis morgen oder übermorgen oder nächste Woche? Grübeln, Kopfzerbrechen, noch größere Angst. Nein, nein, eine solche Angelegenheit sollte so schnell wie möglichaus der Welt geschafft werden. Vertraut dem Rat eines alten, erfahrenen Mannes.«
»Okay«, sagte Andy, nachdem er einen langen Blick mit Caroline getauscht hatte, »rufen Sie sie an.«
Die Telefonate waren schnell erledigt. Sowohl die Oberts als auch die Merkels waren bereit zu kommen, auch wenn beide Paare sichtlich verwundert waren, daß Engler sie zu so ungewöhnlicher Stunde zu sich bat.
Beide Ehepaare trafen gleichzeitig ein, waren überrascht, das jeweils andere Paar zu treffen, denn Engler hatte nichts davon erwähnt.
»Nanu, was macht ihr denn hier?« fragte Obert erstaunt.
»Die gleiche Frage könnten wir auch stellen, mein Lieber. Was Engler wohl von uns will?«
Engler bat die Ehepaare ins Haus. »Andy und Caroline sind übrigens auch da. Nicht, daß Sie sich wundern.«
»Andy und Caroline? Was machen die hier?«
»Gehen wir rein, und dann reden wir über alles«, ließ Engler die Frage unbeantwortet.
Die Frauen setzten sich zu Andy und Caroline auf die Couch, während die Männer in den noch freien Sesseln Platz nahmen. Engler blieb am Kamin stehen.
Frau Merkels Atem ging schwer und rasselnd, eine Folge ihres Übergewichts und des Asthmas, das sie seit Jahren plagte. Für einen Moment herrschte Stille; alle warteten gespannt auf das, was Engler so Wichtiges zu sagen hatte.
»Es ist nett, daß Sie meiner Bitte zu kommen gefolgt sind. Ich glaube, es hat auch keinen Zweck, lange um den heißen Brei
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