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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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allem, was man alles machen konnte. Und er wollte endlich mitreden können.
     
    Er wartete, bis Schmidt seine Runde um kurz nach zehn beendet hatte, bevor er wieder seinen Platz auf dem Baum einnahm. Ihm war heiß. Er war ihr heute abend von der Bücherei nach Hause gefolgt, hatte Brackmann, diesen geilen Hund, der sie begleitete, verflucht. Er dachte angestrengt nach. Sollte er es jetzt tun oder noch einen Tag warten? Sollte er es überhaupt tun? Die Flasche Whisky, die er heimlich aus dem Weinkeller seines Vaters hatte mitgehen lassen, war zu mehr als einem Viertel geleert, sein Hirn umnebelt, seine Gedanken verschwommen, sein Verlangen nach ihr stärker denn je. Sein Penis war erigiert, wenn er nur an sie dachte.
    Sie war früher als gewöhnlich zu Bett gegangen, es war kaum halb elf, als sie das Licht löschte. Ein weiterer Schluck aus der Flasche, er wischte sich über den Mund, beschloß, eszu tun. Langsam und behende, trotz des Alkohols, glitt er nach unten, kein morscher Zweig, kein Knarren verriet ihn. Er vergewisserte sich ein letztes Mal, daß er allein war, huschte durch die Dunkelheit zur Rückseite des Hauses. Die Vordertür war wie immer nachts verschlossen, aber er wußte, wie er trotzdem unbemerkt in das Haus eindringen konnte, er brauchte nur durch den nie verschlossenen Fahrradkeller zu gehen; von dort aus führte ein Gang zur Treppe.
    Das Haus war erst seit knapp einem halben Jahr bewohnt, im Keller der Geruch frischer Farbe, weiter oben roch es nach kühlem Marmor. Es war, als schwebten seine Turnschuhe über die Stufen. Heute nacht würde es geschehen. Vielleicht gefiel es auch ihr . . . vielleicht gehörte sie zu jenen Frauen, die nur darauf warteten? Der Alkohol beseitigte auch seine letzten Hemmungen, ließ all die aufgestaute unterdrückte Wut hervorbrechen.
    Er hatte jegliche Kontrolle über seine Gedanken, seinen Körper verloren. Er trug ein Messer bei sich, nur zur Sicherheit, wie er sich immer wieder selber beruhigte. Er hatte nicht vor, sie zu verletzen oder gar zu töten, er wollte nur das
eine.
Seine Augen hatten sich schnell an die Dunkelheit gewöhnt. Hinter keiner der drei Türen im zweiten Stock brannte mehr Licht, alles war ruhig, keine Stimmen, kein Radiogeräusch, kein laufender Fernseher.
    Er hatte sich vorgenommen zu klingeln, wollte sich als Brackmann ausgeben, der etwas Dringendes mit ihr zu besprechen hätte. Sie schien diesem Arschloch, diesem geilen Schweinehund Brackmann gegenüber ohnehin nicht abgeneigt zu sein.
    Er stand vor der Tür, überlegte noch einen Augenblick, vergewisserte sich ein letztes Mal, daß er allein war, daß niemand ihn störte. Er zog sich schnell und geübt die schwarze Strumpfmaske übers Gesicht, legte seinen linkenZeigefinger auf die Klingel, drückte noch nicht, als hielte ihn etwas davon ab, es zu tun, spürte den kalten Stahl des Messers, das ihm diese Sicherheit und Überlegenheit gab, schluckte tief – drückte den Knopf. Ein heller Ton, Ding-Dong, in der Stille der Nacht dröhnte es wie das metallene Scheppern der Kirchenglocken, ließ ihn zusammenzucken. Er wußte, daß sie schlief, daß es etwas länger dauern konnte, bis sie öffnete. Schließlich hörte er Schritte,
ihr
verschlafenes Gähnen, wie
sie
auf die Sprechanlage drückte. Er klopfte an die Tür, sah
sie
nicht, glaubte dennoch zu spüren, wie sie erschrak.
    »Ja, bitte?« Ihre Stimme war leise, unsicher, ängstlich.
    »Hier Brackmann«, flüsterte er mit verstellter Stimme, »ich muß dringend mit Ihnen sprechen. Es geht um Frau Fleischer. Bitte, es ist wirklich dringend.«
    Sie war zu verschlafen, bemerkte die Täuschung nicht. Entriegelte die Tür und öffnete, hatte nicht einmal mehr die Zeit zu schreien. Die spitze Klinge des Messers drückte von unten gegen ihren Hals, er drängte sie wortlos in die Wohnung, schloß geräuschlos die Tür.
    »Keinen Ton! Ich will Ihnen nichts tun. Und kein Licht. Und wie gesagt, kein Mucks! Ich will das Messer nicht benützen müssen!« flüsterte er.
    Bis auf einen Slip war sie nackt. Es war sehr warm in der Wohnung. Aus dem Strumpf, den er sich über den Kopf gezogen hatte, hatte er ein Stück um den Mund herum herausgeschnitten. Der Baum vor dem Fenster, sein Baum, war nur als schattenhafter Umriß zu erkennen. Sie zitterte, ihre Augen waren weit aufgerissen. Die scharfe Spitze des Messers an ihrem Hals, der derbe Griff der andern Hand an ihrer Brust. Ihr Atem ging schnell und stoßweise, auf ihrer Haut hatte sich kalter Schweiß

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