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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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gebildet.
    Er drängte sie wortlos ins Schlafzimmer, stieß sie aufs Bett, schloß schnell das Fenster. Im fahlen Licht des Vollmondssah er nicht die stummen Schreie ihrer Angst, sah nur ihre Schultern, die Brüste, die Schenkel. Seine Finger strichen über ihre Haut, glitten über ihr Haar, das Gesicht, den Hals, weiter nach unten. Sie fühlte sich gut an.
    »Was wollen Sie von mir?« Furcht, unsägliche Angst. Sie spürte seine schweißnassen, klebrigen Hände sie begrapschen, ihre Brüste, den Bauch und schließlich . . . Ekel! Sie wollte schreien, so laut, daß der echte Brackmann sie hören, sie von diesem Alptraum befreien konnte. Er hatte seine Hände unter ihren Slip gegraben, sein alkoholgeschwängerter Atem keuchte vor Erregung.
    »Hör zu, ich will nichts von dir, ich will dich nur ficken! Wirklich, nur ficken. Du wirst sehen, ich kann ficken . . . wie jeder andere auch. Ich bin ein Mann! Ein ganzer Mann!« Welche Macht er auf einmal besaß! Er hatte das Messer, sie hatte Angst!
    Ein fester, harter Griff zwischen ihre Beine, ein stechender Schmerz durchfuhr sie. Speichel lief über seine Lippen, tropfte auf ihr Gesicht, ihre Brüste. Seine langen Fingernägel kratzten ihre Haut, die trockene Schleimhaut ihrer Vagina, seine Zähne gruben sich grob in ihre Brüste, es tat so weh, sie hätte schreien können vor körperlichem Schmerz, doch da war das Messer an ihrem Hals. Sie spürte die Verhärtung zwischen seinen Beinen, wußte, er würde es jetzt tun.
    Sie versuchte sich abzulenken, den Ekel zu verdrängen, an etwas Schönes zu denken, an zu Hause, den Fliederbusch im Garten ihres Elternhauses, an die Zeit, als sie noch ein Kind gewesen war, wohlbehütet und beschützt. Sie wünschte sich jetzt den Schutz von Vater oder von Wilfried, diesem großartigen Bruder. Sie waren immer dagewesen, wenn sie gebraucht wurden. Wie sehr sie sie jetzt gebraucht hätte! Doch Vater war lange tot, und Wilfried lebte Tausende von Kilometern entfernt auf der andern Seite des großen Teichs. Siewünschte sich, wieder klein zu sein, das weiße, mit Spitzen besetzte Kleid anzuhaben, wie sonntags immer, wenn sie die Baptistenkirche besuchten. Oder Mutter, wenn wenigstens sie hier wäre! Aber wahrscheinlich war sie wieder betrunken oder voll mit Tabletten, Mutter war nie eine Hilfe gewesen, sie hatte ihr Leben nie in den Griff bekommen. Und seit Vaters Tod hatte sie sich noch schneller verändert, hatte sie sich noch mehr isoliert; sie lebte allein mit sich und ihrer Sucht, wer wußte schon, wie lange ihr Körper diese ihm angetane Gewalt noch ertrug. Das letztemal, daß Angela Siebeck etwas von ihr gehört hatte, war vor über einem Jahr gewesen, als sie kurz anrief und irgend etwas in den Hörer lallte, das Angela längst vergessen hatte. Angela hatte ihr ein paarmal geschrieben, doch nie eine Antwort erhalten. Nur von Wilfried hatte sie vor etwa sechs Monaten einen Brief bekommen, in dem er seine Besorgnis wegen Mutters Zustand ausdrückte. Er machte sich Sorgen, weil er sie liebte und weil sie ihn vergötterte.
    Als wäre es ein Schutz gegen das, was mit ihr jetzt geschah – plötzlich fielen ihr Dinge ein, die sie schon lange vergessen geglaubt hatte, ihre Schulzeit, einige ihrer Lehrer, vor allem Mr. Jones – immer ernst und unnahbar, bis zu dem Tag, an dem er in die Klasse gestürmt war, ein breites Lachen auf den Lippen, um allen mitzuteilen, daß er bald heiraten würde. Alle hatten sich gefragt, warum er ihnen das erzählte, war es doch etwas Normales, wenn ein Mann heiratete. Aber er hatte nicht irgendwen geheiratet, sondern Mrs. Featherstone, die schönste Frau, die wohl jemals als Lehrerin gearbeitet hatte. Sie paßten so gar nicht zueinander; der kleine, schmächtige, ernste Jones und diese ihn um einen halben Kopf überragende Schönheit. Irgendwie aber hatte es ihm jeder gegönnt, bis auf ein paar Jungs vielleicht, die sich, wie wohl alle Jungs, unsterblich in Mrs. Featherstone verliebt hatten.
    Und dann war da noch der schüchterne kleine Johnny, der keine Freunde hatte, der immer allein war, allein sein Pausenbrot aß, allein nach Hause ging, alles allein machte. Bis sie sich eines Tages einfach zu ihm stellte und mit ihm sprach, ihn fragte, ob er nicht Lust hätte, sie nach Hause zu begleiten. Sie würde nie seinen Blick vergessen, diese immer größer werdenden Augen, ungläubig, staunend, stumm fragend, ob sie denn wirklich ihn meinte. Er hatte nur genickt und sie an jenem Nachmittag begleitet, kaum ein Wort

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