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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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war stärker. Ein paar Tränen, sie tat ihm leid, weiß Gott, das tat sie, aber er, er selbst tat sich noch mehr leid.
    Das Telefon im Haus klingelte, er hörte es, ignorierte es. Schließlich legte der Anrufer auf. Leichter Wind kam auf, ließ die Vorhänge zittern. Es war fast Mitternacht.

Kapitel 13
    Ein Tornado kündigt sich nicht lange vorher an, sondern schlägt in der Regel zu wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel. Zwar gibt es Wettersituationen, die auf eine eventuelle Tornadoentwicklung schließen lassen, doch wann und wo und wie stark das Auftreten sein wird, ist selbst mit modernsten Computern bislang nicht zu bestimmen. Mit Tornados verhält es sich kaum anders als mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen, sie treten fast ohne jegliche Vorwarnung auf. So schnell sie sich bilden, so rasend bewegen sie sich vorwärts, bis zu 330 km/h, und Wissenschaftler nehmen eine Drehgeschwindigkeit von bis zu 600 km/h an. Nachmessen konnte es jedoch noch niemand, denn noch hat kein Meßgerät je dieser Urgewalt standgehalten.
    Tornados leben nicht lange. Kaum sind sie quasi aus dem Nichts geboren, sterben sie schon wieder. Später – was wenige Minuten, aber auch bis zu zwei Stunden bedeuten kann –, wenn sie ihre Kraft verbraucht und sich ausgetobt haben, sind sie nur noch ein laues Lüftchen, das irgendwannund irgendwo einfach in sich zusammenfällt. Nur, wann und wo dies sein wird, vermag keiner zu sagen. Tornados sind gottgelenkte Vernichter, behaupten die einen, Waffen der Hölle die anderen. Bloßen Naturgesetzen folgende Naturgewalten meinen hingegen die nüchternen Denker, physikalischen Gesetzen gehorchend, Kaltluft oben, feuchtwarme Luft unten.
    »Zum Teufel noch mal, was sollen wir tun? Wir haben es hier mit einer Konstellation zu tun, die keiner von uns je miterlebt hat! Aber es bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen eine Warnmeldung herausgeben.« Dr. Anders, der Meteorologe vom Dienst des Wetteramtes Nürnberg, schlug wütend und hilflos auf den Tisch. Die Kaffeetasse schwappte über, ein Teil der Brühe lief über das vor zwanzig Minuten durchgefunkte Satellitenbild.
    Schon seit dem späten Nachmittag beobachteten sie mit wachsender Neugier und gespannter Erregung auf ihren Satellitenfotos und dem Wetterradar, wie trockene Polarluft sich stetig weiter nach Süden voranschob und sich allmählich über die vom Mittelmeer kommende feuchtheiße Luft legte. Normalerweise eine typische Gewitterkonstellation, aber diesmal durch die nie zuvor in dieser Gegend erlebte feuchte Hitze der vergangenen Tage und Nächte eine andere, unheimliche, vielleicht gefährliche, auf jeden Fall aber schlecht einzuschätzende Situation. Das Aufeinanderprallen der kalten und heißen Luftmassen konnte außerordentlich schwerwiegende Konsequenzen haben, jedenfalls schien in der Wetterküche ein Hexenmeister hektisch bemüht, eine hochexplosive Mischung zu brauen. Die Frage war nicht mehr, ob es zu einer Explosion kommen, sondern wie stark sie sein und wo sie stattfinden würde.
    Seit etwa einer halben Stunde vermochten die vier Männer und die Frau im Wetteramt ein mögliches Gebiet etwas genauer einzugrenzen. Sie beobachteten auf ihrem Radarschirm,wie sich in einem Gebiet von etwa hundert Kilometern Länge und knapp dreißig Kilometern Breite zwischen Thüringen und Nordbayern bereits mehrere intensive Gewitterzellen ausgebildet hatten, an sich weder etwas Ungewöhnliches noch Bedenkliches, da der gesamte Bereich eher dünn besiedelt war. Das Problem war, daß der Kaltluftstrom weiter anhielt und dadurch bis jetzt noch nicht vollständig geklärte physikalische Abläufe in Gang gesetzt wurden, die die Gefahr bargen, daß sich nicht nur Gewitter, sondern unter Umständen sogar heftigste Unwetter mit Hagelschlag entwickelten, was natürlich auch eine enorme Gefahr für Ansiedlungen darstellte.
    Wenn die Berechnungen stimmten, dann waren die Ortschaften, die in einem Radius von etwa fünfzig Kilometern um Münchberg lagen, am ehesten gefährdet. Wobei die wichtigsten Städte Hof, Helmbrechts, Kulmbach, Münchberg, Marktredwitz, Bayreuth, Wunsiedel und Waldstein waren.
    »Ich weiß, es mag sich vielleicht seltsam anhören«, sagte einer der Männer, »aber als ich den Staaten gearbeitet habe, habe ich zweimal eine ähnliche Konstellation gesehen; beide Male hat es zu Tornados geführt, von denen einer zu den verheerendsten in der Geschichte der USA zählte.«
    Dr. Anders blickte ungläubig auf und schüttelte den Kopf.

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