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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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die durchweg keine Risikokultur kennen und lieber in Staatsanleihen investieren, die sie für sicherer halten. Außerdem führt die Niedrigzinspolitik der letzten zwanzig Jahre zu soliden Gewinnen auf dem Bondsmarkt.
    Banken, Finanzierungsgesellschaften, Versicherungen und Investmentfonds – jene Institutionen also, die unsere privaten Renteninvestments managen – nehmen vorzugsweise Staatsanleihen ins Portfolio. Also stieg in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Nachfrage nach solchen Bonds. Die Staaten kamen kaum noch nach mit der Ausgabe immer neuer Anleihen. Die beliebtesten boten solide Garantien. Bis zum Ausbruch der Schuldenkrise waren dies Staatsanleihen jeglichen Zuschnitts – ob nun Bundesschatzbriefe oder American Treasury Bonds.
    Staatsanleihen waren sozusagen die »Edelmarke« unter den Bonds, und natürlich versuchten Banker, dieses Etikett so vielen Anleihen wie möglich – oder unmöglich – aufzukleben. Dabei wandten sie folgenden Trick an.
    Zeitpunkt: neunziger Jahre des letzten und »Nullerjahre« des jetzigen Jahrhunderts. Die Handlung: Lehman Brothers schickt ein Heer junger, in New York erzogener Italiener in das Land ihrer Väter zurück, um es zu kolonisieren. Ihr Ziel: Verkauf von strukturierten Finanzprodukten, um die Liquidität in den Bilanzen aufzublasen – natürlich gegen hohe Provisionen. Alle investieren in diese Produkte, sogar Nonnenklöster.
    Zu Beginn des 3. Jahrtausends haben Krankenkassen (ASL) und Krankenhausbetreiber (AO) in vielen Regionen finanzielle Probleme. Sie können ihre Zulieferer erst nach 24 Monaten bezahlen und wissen nicht mehr, wo sie noch Geld auftreiben sollen. Auftritt Lehman Brothers und andere Geschäftsbanken, die mit allerlei Machinationen aus den Zahlungsverpflichtungen Anleihen stricken, für die der italienische Staat eine Bürgschaft abgibt. Man »verbrieft« die Schulden, was sich sowohl auf die Bilanz der Regionen auswirkt als auch auf die Staatsbilanz. Rein technisch gesehen ist das verboten, weil die entsprechenden Institutionen Teil der öffentlichen Hand sind, doch ein moderner Banker findet immer Mittel und Wege. Der Mechanismus ist letztlich ganz simpel. Sehen wir uns doch einmal an, wie das in der italienischen Region Kampanien gelaufen ist.
    Zu Beginn des Jahres 2000 kauft Lehman Brothers die Zahlungsverpflichtungen der örtlichen ASL und der AO für fünf Jahre bis zum Jahr 2007 auf. Macht insgesamt 2,7 Milliarden Euro. Lehman Brothers bezahlt die Zulieferer in bar. Im Gegenzug verpflichten sich ASL und AO, diese Schulden nach zehn Jahren zu begleichen. Diese Forderung verbrieft Lehman zu einer Anleihe mit dreißig Jahren Laufzeit, die die Bank dann mit Bürgschaft durch den italienischen Staat auf dem internationalen Markt verkauft. Eben aufgrund dieser Bürgschaft finden die Papiere reißenden Absatz. Das Risiko liegt für Lehman Brothers bei null: Die Papiere gingen schon bei der Auktion alle weg. Eine mögliche Insolvenz trifft den, der die Titel im Portfolio hat – in diesem Fall italienische Investment- und Pensionsfonds. Aber das interessiert keinen, denn schließlich wurden die Papiere vom italienischen Staat garantiert und folglich von der EU.
    Der Gewinn für Lehman Brothers ist ausgesprochen hoch: Die Bank streicht sowohl für die Schaffung der Anleihe als auch für den Verkauf eine Provision ein. Außerdem bekommt die Bank die Zinsen aus dem Kreditgeschäft mit den Gesundheitsorganisationen. Am Ende wird auch hier der italienische Staat für die Verbindlichkeit geradestehen, da die staatlichen Gesundheitsdienste ja chronisch defizitär sind. Aber das ist ja dann erst zwanzig Jahre später der Fall.
    Der italienische Staat hingegen macht mit diesen Titeln ein schlechtes Geschäft. Das geht schon mit den Zinsen für die Verbindlichkeiten los. Eine privat begebene Anleihe kostet den Libor, den Referenzzinssatz im Interbankengeschäft, plus den Risikoaufschlag für ungesicherte Zinsgeschäfte in Italien, also noch einmal 3 Prozent. Hätte der Staat selbst die Papiere aufgelegt, hätte der Risikoaufschlag nur 1 Prozent betragen. Außerdem hätten ASL und AO dann keine Kommission an Lehman Brothers bezahlen müssen. Warum also werden solche Papiere nicht vom Staat im Namen der Gesundheitsorganisationen begeben? Ganz einfach: Jede Anleihe, die der Staat emittiert, lässt die Staatsschulden ansteigen. Über den Umweg der Geschäftsbanken aber wird aus den Verbindlichkeiten einer staatlichen Stelle plötzlich eine

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