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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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Beziehungen, die eine Offenlegung sensibler Daten verhindern. Es stimmt allerdings, dass zu Beginn der Krise, im Jahr 2008, der Einsatz von Currency Swaps so verbreitet war, dass niemand auf die Idee kam, Bilanzfälschungen wie diese könnten eine Krise auslösen. Niemand hätte je geglaubt, dass eine Bank wie Lehman Brothers pleitegehen könnte. Dass es überhaupt zu einer Staatsschuldenkrise kommen könnte, war unvorstellbar. Ebenso unvorstellbar war, dass die EU je vor der Frage stehen würde, ob es Griechenland und die anderen Defizitstaaten rettet oder nicht. Doch tatsächlich würde die drittgrößte Bank der Erde innerhalb von 48 Stunden die Pleite erleben, und die Schulden der PIIGS-Staaten können den Euro in den Abgrund reißen.
    Daher müssen wir uns heute zwei Fragen stellen: Die erste ist, was Politiker dazu treibt, sich so irrational zu verhalten. Die zweite ist: Was nutzen all die Zahlen, die Grenzwerte, ja sogar die Staatsbilanzen und die europäischen Institutionen, wenn Erstere so leicht gefälscht werden können und dies auch ständig geschieht, während die Organisationen, die darüber wachen sollen, dies nicht leisten können? Der Horizont von Politikern ist beschränkt, das wissen wir. Doch die Vorstellung, die begangenen Fehler und ihre Folgen würden sich am Ende des Mandats einfach in nichts auflösen, ist dumm und gewissenlos. Wenn es nötig war, die harten Zahlen ein wenig zu schönen, um Aufnahme in die Euro-Zone zu finden, so hätte dies eine einmalige Maßnahme zu einem einzigen Zweck bleiben müssen: die Konvergenzkriterien zu erfüllen. Stattdessen hat die Möglichkeit, Verbindlichkeiten aus der Bilanz zu eliminieren, zu einer unglaublichen Verschwendung, ja zu Diebstahl geführt. Für beides muss die europäische Bevölkerung nun bezahlen.
    Noch wichtiger aber ist eine dritte Frage: Sollten die Banken, die zusammen mit den jeweils verantwortlichen Politikern die Bilanzfälschungen für die einzelnen Staaten ersonnen haben, nicht auch deren Konsequenzen tragen? Statt wir, die Steuerzahler? Ist es nicht erschreckend, dass im Gefolge der Krise gerade mal eine Hand voll Leute ins Gefängnis ging? Und zwar nicht, weil sie die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit ausgelöst haben, sondern weil sie – wie Bernie Madoff – die Superreichen um Geld geprellt haben. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die für jeden Bürger, der sich empört, offen zutage liegt! Dabei würde auch er sicher lieber arbeiten und sein Leben führen, als sich über verborgene Staatsschulden Gedanken zu machen.
    Die Staatsschulden Griechenlands und der anderen PIIGS-Staaten sind kaum in den Griff zu bekommen, einfach weil niemand weiß, wie hoch sie wirklich sind. Außerdem sollte man sich mal klarmachen, wie die Tragödie weitergeht: Im August 2011 musste Athen 6 Milliarden Euro zurückzahlen, die es nicht hatte und die von der EU vorgeschossen wurden. Im Jahr 2012 waren weitere 14,4 Milliarden bis März fällig, bis zum 18. Mai noch einmal 8 Milliarden, im August erneut 7 Milliarden, insgesamt also circa 30 Milliarden Euro. Wie viele neue Fälligkeitstermine werden sich in Zukunft noch ergeben? Und wo soll all das Geld herkommen, wenn das Land keinerlei Wachstum aufweisen kann und auf dem normalen Kapitalmarkt keinen Kredit mehr erhält? Die Antwort auf diese Fragen soll der angebliche europäische Marshallplan bringen. Mit läppischen 35 Milliarden Euro!
    In jedem Fall aber lässt sich das Problem nicht auf Griechenland begrenzen. Die Ratingagentur Moody’s hat sich im Juli 2011 dem deutsch-französischen Vorschlag widersetzt, einige der griechischen Schuldtitel in dreißigjährige Anleihen umzuwandeln. Dies geschah durch eine Maßnahme, die so ungewöhnlich war, dass aus ihr allein abzulesen ist, wie weit der Flächenbrand innerhalb der Euro-Zone schon fortgeschritten ist. Moody’s hat das Rating für portugiesische Staatsanleihen ebenfalls gesenkt: Diese sind jetzt Junk , Abfall.
    Die Ratingagentur befürchtet, dass die Märkte keine portugiesischen Bonds mehr kaufen, wenn man die Privatanleger zwingt, ebenfalls ihren Teil zum Schuldenschnitt in der Euro-Zone beizutragen. Sie fordern vielmehr eine hundertprozentige Garantie von Seiten der EU, also die Zusicherung, dass die Anleihen mit Zinsen hundertprozentig zurückgezahlt werden. Die Einigung, die Ende Juli getroffen wurde, ist nur ein fauler Kompromiss mehr, der, wie in der Finanzwelt üblich, nicht lange halten wird. Damals hieß es, dass damit

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