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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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Ebendas versuchen die Bürger Griechenlands im Augenblick. Auch sie campieren auf öffentlichen Plätzen, um gegen die Sparpläne ihrer Regierung zu protestieren. Und die jungen Leute veröffentlichen Videos von ihren Auseinandersetzungen mit der Polizei auf YouTube, sodass die Weltöffentlichkeit miterleben kann, wie sie gegen den Ausverkauf ihres Landes protestieren. Kämpfen sie etwa gegen die Sanierung des Landes an? Keineswegs. Denn sie haben recht. Der IWF selbst hat bekanntgegeben, dass die griechische Wirtschaft zwischen Frühjahr 2010 und Frühjahr 2012 um 9,4 Prozent geschrumpft ist. Allein im zweiten Quartal 2011 belief sich der Rückgang der Wirtschaftsleistung auf satte 6,9 Prozent. Der Grund? Der Sparkurs drehte der Wirtschaft einfach den Hahn ab.
    Wie die Ägypter im 19. Jahrhundert, so können auch die Griechen die von ihren Regierenden angehäuften Schulden nicht zurückzahlen. Daher läuft Griechenland Gefahr, dass künftig die Banken fremder Länder über sein Schicksal entscheiden, Institutionen, die Regierung und Parlament längst in der Hand haben. Doch einen Unterschied gibt es zwischen dem Drama Ägyptens und dem Griechenlands: Ismail »sündigte«, weil er es nicht besser wusste. Die griechischen Politiker aber haben über Jahre hinweg ihr Volk einfach belogen. Sie haben Wohlstand auf Pump geschaffen, um ihre Wiederwahl zu sichern. Sie haben das Land in die Euro-Zone geführt, doch statt es zu modernisieren, haben sie nur den neuen Zufluss an Geldern an die Eliten verteilt. Die moderne griechische Tragödie ist eine direkte Folge von schlechter Regierungsführung und Misswirtschaft: von Machtmissbrauch und Korruption. Wobei EU und internationale Organisationen wie der IWF sich der Komplizenschaft schuldig machten, denn sie hätten darüber wachen müssen, dass genau das nicht passiert, was sich jetzt in Griechenland abspielt.
    Die Krise Griechenlands begann in Wirklichkeit nämlich schon Ende der neunziger Jahre, als die EU die Bedingungen für den Euro-Eintritt formulierte, die sogenannten »Konvergenzkriterien«. Im Maastricht-Vertrag wurde festgelegt, dass die Inflationsrate in den beteiligten Ländern nicht höher als 1,5 Prozent über dem Durchschnittswert der drei preisstabilsten Mitgliedsländer liegen dürfe. Der langfristige Nominalzinssatz darf den der drei preisstabilsten Länder um höchstens 2 Prozent übersteigen. Die Nettoneuverschuldung eines Landes darf nicht mehr als 3 Prozent seines BIP betragen, und der öffentliche Schuldenstand hat eine Höchstgrenze von 60 Prozent des BIP. Diese Bedingungen können – wie wohl jedem klar ist – die PIIGS-Länder keinesfalls einhalten.
    Doch natürlich muss der Euro her, auch wenn man die Bilanzen der öffentlichen Hand frisiert. Denn tatsächlich scheinen zunächst einmal die wirtschaftlich schwächeren Partner genauso von der Einheitswährung zu profitieren wie die wirtschaftlich stärkeren. Länder wie Deutschland oder Frankreich erreichen durch die Währung, die sie mit den schwächeren Volkswirtschaften des Euro-Raums teilen, dass ihre Währung künstlich »billig« gehalten wird, billiger jedenfalls, als es Mark oder Franc wären. Die relative Schwäche des Euro ist für diese Länder von Vorteil, weil damit ihre Produkte wettbewerbsfähiger sind als je zuvor. Tatsächlich ist Deutschland heute nach China die Nation mit der höchsten Menge an exportierten Gütern weltweit.
    Doch auch in den Mittelmeerländern leckt man sich die Finger, wenn es um den Euro geht, eröffnet die Einheitswährung doch Zugang zu billigen Krediten, da Staatsanleihen künftig in Euro ausgegeben werden. Eben weil die extrem effizienten Deutschen dieselbe Währung haben, müssen Länder wie Spanien, Italien oder Griechenland keinen Zinsaufschlag bezahlen, wenn sie Staatsanleihen begeben. Jeder weiß, dass diese Länder künftig nicht einfach ihre Währung abwerten können, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dies kann nur noch die Europäische Zentralbank.
    Doch es ist schwierig, so verschiedene Länder wie Griechenland und Deutschland, die Niederlande und Italien, Frankreich und Portugal unter den einheitlichen Euro-Hut zu bekommen. Die Volkswirtschaften am Mittelmeer hinken denen der nördlichen EU-Länder weit hinterher. Sie haben niedrige Wachstumsraten und wenig Stabilität im Inneren. Aber die Staatschefs dieser Länder geben sich Mühe, um die Konvergenzkriterien zu erreichen. Zumindest auf dem Papier unterwerfen sie ihr Land strengen Regeln

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