Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
kennen, keine Zukunft hat. Wäre es da nicht besser, die eigenen Fehler einzugestehen und zuzugeben, dass der Euro in seiner jetzigen Form nicht mehr funktioniert – und vielleicht auch nie funktioniert hat?
Die genannten Institutionen übernehmen bei sämtlichen wirtschaftlichen Rettungsmanövern die Hauptrolle – allein aufgrund der Tatsache, dass das internationale Finanzsystem ihr Eingreifen vorsieht. Ihr offenkundiges Versagen aber lässt die Interventionen regelmäßig in einem Fiasko enden. Das ist in etwa so, als bestünde man darauf, einen Kranken mit Großmutters Hausmittelchen zu kurieren, obwohl es längst Antibiotika gibt. Institutionen, die vor mehr als einem halben Jahrhundert für eine deutlich weniger komplexe Welt geschaffen wurden, werden den Herausforderungen von heute nicht mehr gerecht. Das zeigt sich allein schon daran, dass die griechische Krise längst auf Italien übergegriffen hat.
Seit dem Ausbruch der zweiten Griechenlandkrise im Frühling 2011 kann man förmlich zusehen, wie die Zinssätze in den PIIGS-Staaten nach oben schießen. Die Finanzmärkte verlangen nach immer höheren Risikoaufschlägen für die Staatsanleihen dieser Nationen, und es wird für sie zunehmend schwieriger, alle Emissionen auf dem Markt zu platzieren. So konnte beispielsweise bei der Auktion spanischer Staatsanleihen im Juni 2011 nur die Hälfte der Bonds an den Mann gebracht werden. Bei der italienischen Auktion im Juli lagen die Zinssätze knapp unter 6 Prozent. Noch im selben Monat sagte Italien die Versteigerung der Anleihen mit dreißigjähriger Laufzeit ab – vermutlich aus Angst, nicht alle platzieren zu können. Im August aber begann die Spekulation gegen das Land von Neuem. Nun sind die Zinssätze noch höher als bei den spanischen Anleihen. Nur das Eingreifen der EZB, die erklärte, dass sie die italienischen Staatsanleihen kaufen werde, verhinderte den Zusammenbruch. Doch Italien ist noch lange nicht aus dem Schneider: Wenn Frankreich in die gleiche Lage geriete, würde die EZB eine Wahl treffen müssen – es ist schlicht und einfach nicht genug Geld da, um alle zu retten. Vermutlich würde Paris dann den Vorzug erhalten, und Italien müsste sich weiter verschulden. Ein Desaster für das Land, wenn man bedenkt, dass jeder Prozentpunkt es 35 Milliarden Euro mehr kostet. Eine Katastrophe angesichts der Tatsache, dass das Überleben der PIIGS-Staaten bereits jetzt von der regelmäßigen monatlichen Platzierung von Staatsanleihen abhängt. Nur auf diese Weise treiben sie noch das nötige Kapital für die Begleichung der Schuldzinsen auf.
Gibt es denn wirklich keine Alternative zu dieser Lösung? Vielleicht doch. Jedenfalls haben andere Länder, die wie die EU durch wirtschaftliche Abkommen aneinander gebunden sind, solche gefunden, zum Beispiel die Arabischen Emirate.
Die Lektion von Abu Dhabi
Ende 2009 erklären die beiden größten Holdings von Dubai – Dubai World und Nakheel –, dass sie nicht in der Lage sind, die in Kürze fälligen Zinsen auf ihre Anleihen (30 Milliarden Dollar) zu bezahlen: ein Gewitter aus heiterem Himmel. Kann es sein, dass Dubai, das New York des Orients, der Spielplatz der Superreichen, das Steuerparadies des Mittleren Ostens, pulsierendes Zentrum der islamischen Finanzwelt, kurz vor dem Bankrott steht? Dubai World und Nakheel sind nämlich Gesellschaften mit Staatsbeteiligung, de facto haftet also der Staat für sie. Deshalb käme in den Augen der Öffentlichkeit ein Ausbleiben der Zinszahlung einer Staatsschuldenkrise gleich, wie Island, Griechenland, Portugal und Irland sie erlebten und wie sie Italien möglicherweise noch bevorsteht.
Dubai braucht also Geld. Es klopft beim reichen Emirat Abu Dhabi an. Dieses hat die Wirtschafts- und Finanzpolitik seines Nachbarn noch nie gutgeheißen. Ganz im Gegenteil hat Abu Dhabi mehrfach kritisiert, dass Dubai sich zu hoch verschulde – ohne Wirkung. Zwischen den beiden Regierungen herrscht eine latente Rivalität, die sofort ins Auge fällt: Man braucht nur die gepflegten und wenig bevölkerten Straßen des ruhigen Abu Dhabi mit denen des amüsierwütigen Dubai zu vergleichen, einer ewigen Baustelle, wo am Freitag die Discos bis Tagesanbruch geöffnet haben und Popmusik sich mit dem morgendlichen Ruf des Muezzin mischt. Die Emirate sind zwar benachbart, gehören aber Welten an, die gegensätzlicher nicht sein könnten.
Abu Dhabi denkt also gar nicht daran, die verschwenderischen Spekulanten im benachbarten Emirat zu retten.
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