Der Flammenengel
tun.«
»Und trotzdem warst du in diesem Haus?«
»Ja, weil ich den Ruf gehört habe.«
»Welchen Ruf?« hakte ich nach.
Jetzt sah sie mir ins Gesicht. »Kannst du dir das wirklich nicht denken, John Sinclair?«
»Nein, ich…«
»Überlege. Eigentlich hätte gerade dir die Lösung einfallen müssen. Gerade dir, John!«
Ich wusste nicht, woran ich war. »Du kannst mich steinigen, Sheila, aber mir fällt es nicht ein.«
»Gut.« Sie nickte. »Ich will dir einige Stichworte geben. Das Schreiben der Briefe, mein Gefangensein in der Hölle und Satans grausamstes Werk, die Knochenuhr. Du, John, bist daran festgebunden worden. Erinnere dich genau, wie es war…«
»Ja«, murmelte ich und schaute zu Boden, während ich mit einer Hand die Haut an meiner Stirn knetete. »Jetzt erinnere ich mich wieder. Man hat mich an die Knochenuhr gebunden, und ich habe mein Leben praktisch noch einmal im Zeitraffertempo vorbeirasen sehen…« [1] .
»Dann griffen die Engel ein.«
»Stimmt«, sagte ich hastig. »Mein Kreuz und die Engel reagierten. Der Seher hatte es aktiviert. Die Strahlen waren so breit wie nie, sie fächerten in vier Richtungen davon, schmetterten den Satan zurück und…«
»Bauten mir eine Brücke«, führte Sheila weiter vor. »An einem Ende der magischen Lichtbrücke warst du, das andere Ende aber wurde von einem Engel mit flammendem Schwert bewacht. Erinnerst du dich jetzt genau?«
»Tatsächlich«, hauchte ich. »Du bist dann über diesen Strahl gegangen und der Hölle entkommen.«
»So ist es recht. Ich hatte einen sehr starken Helfer.. Und dieser Helfer besitzt einen Namen.«
»Genau. Uriel!«
Sheila lächelte. »So ist es, John. Du und er, ihr beide habt mir praktisch das Leben gerettet und mich aus der verdammten Hölle und den Klauen des Teufels geholt. Das ist es, was ich dir sagen wollte und was du schon längst vergessen hattest.«
Ich wischte über meine schweißfeuchte Stirn. Plötzlich hatte mich die Vergangenheit wieder eingeholt. Allmählich wurde mir auch klar, weshalb ich vor der Erscheinung an der Leichenhalle keine Angst gehabt hatte. Das war der Erzengel Uriel gewesen. Im Unterbewusstsein hatte ich mich bestimmt an die Knochenuhr erinnert und damit auch an die Rettung von Sheila und mir selbst.
Konnte man dies alles als einen Zufall bezeichnen? Nein, dahinter steckte Methode. Zufall war es nicht, dass wir Sheila hier fanden. Vielleicht ein Akt der Dankbarkeit. Ich sprach sie darauf an. Sheila Conolly nickte. »Ja, John, du hast recht. Ich bin dem Flammenengel dankbar.«
»Der jetzt auf der anderen Seite steht!«
»Wieso?«
»Er stahl mir mein Kreuz. Wahrscheinlich hat er auch dafür gesorgt, dass die Brände gelegt wurden.«
Bei der nächsten Frage enthielt Sheilas Blick Spott. »Und davon bist du überzeugt?« fragte sie.
»Fast.«
»Du irrst dich, John. Uriel steht nicht auf der Seite des Bösen. Das kann er gar nicht. Es ist einfach nicht möglich für ihn. Tut mir wirklich leid für dich, aber du hast dich da in etwas verrannt, was einfach nicht wahr ist.«
»Dann sag du mir die Lösung.«
»Ich kann es nicht.«
Diesmal spottete ich. »Demnach können wir beide recht haben.«
»Nein, so ist das nicht, John. Es gibt Dinge, die muss man einfach im Leben hinnehmen.«
»Wie dein Erscheinen hier, nicht wahr?«
»Das auch. Ich bin gekommen, um ihn zu finden.«
»Hat er dich gerufen?«
»Ja, er bat mich diesmal um Hilfe.«
Suko und ich waren überrascht. Mein Freund fragte: »Wie kannst du ihm denn helfen?«
»Das weiß ich noch nicht, ich habe ihn nicht getroffen. Gern hätte ich mit ihm gesprochen, aber da ist eine Kraft, die sich ihm in den Weg stellt. Ich habe schon geahnt, dass ich euch finden würde, denn der Engel hat euch erwähnt.«
»Demnach hast du ihn also doch gesehen«, sagte ich.
»Nein, John, es war ein Traum, ein Wahrtraum. Da erschien mir Uriel und gab mir Informationen.«
Das nahmen wir Sheila ohne weiteres ab.
»Wie hast du denn Bill begreiflich gemacht, dass du Uriel…?«
»Eine Frau hat mehrere Möglichkeiten«, gab sie zurück. »Ich erzählte Bill, dass ich in die Stadt zum Einkaufen fahre. Lassen wir das mal dahingestellt sein, ihr wollt sicherlich mehr über meinen Traum wissen.«
»Und ob«, erwiderten Suko und ich wie aus einem Mund.
Sheila nickte. »Es passierte vor zwei Nächten. Da hatte es mich getroffen wie ein Schock. Ich war tief und fest eingeschlafen und hatte dann das Gefühl, nicht mehr in der normalen Welt zu sein,
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