Der Flammenengel
Bill Conolly schon einiges über Sie erzählt. Sie müssen zugeben, dass sich hin und wieder die Gebiete berühren, mit denen wir uns beschäftigen, nicht wahr?«
»Das stimmt«, gab ich zu. »Besonders dann, wenn es um alttestamentarische Dinge geht, wie in diesem Fall, der uns zu Ihnen geführt hat, Mr. Lerner.«
»Bitte, Mr. Sinclair, reden Sie. Ich habe für Ihre Probleme ein offenes Ohr.«
»Ihnen ist der Name Uriel ein Begriff?«
»Selbstverständlich. Wer kennt den Flammenengel nicht?«
»Und der steht auf der Seite des Guten.«
»Sollte er.«
»Nicht mehr«, erklärte ich, was den Rabbi verwunderte, denn er hob die grauen, buschigen Augenbrauen. »Können Sie das beweisen, Mr. Sinclair. Es wäre schrecklich, wenn Sie recht hätten.«
Ich begann den Mann, der in mir von Beginn an Vertrauen erweckt hatte, in den Fall einzuweihen. Ebenso gespannt wie er hörte mein Freund Bill Conolly zu, denn er wusste im einzelnen auch noch nicht, um was es eigentlich hier ging. Und beide waren überrascht, dass ich es wagte, den Erzengel Uriel in das Spiel des Bösen mit einzubeziehen.
»Das kann nicht sein«, erklärte der Rabbi mit mühsam beherrschter Stimme. »Was Sie behaupten, würde ein Weltbild ins Wanken bringen, Mr. Sinclair.«
»Das ist schon möglich.«
»Haben Sie Beweise?«
»Es sind die Brände.«
Der Rabbi schüttelte den Kopf. »Nein, das ist für mich noch kein Beweis. Ich müsste ihn sehen.«
»Das hat Sheila Conolly.«
Moshe Lerner schaute die Frau an. »Stimmt es, was Mr. Sinclair gesagt hat?«
»Ja, es stimmt. Ich selbst habe mit dem Erzengel Uriel Kontakt gehabt.«
»Mit einem Geistwesen?« hauchte der Rabbi.
Sheila nickte. Sie berichtete mit schlichten Worten, was ihr widerfahren war und sprach auch von ihrem früheren Abenteuer, als sie aus der Hölle errettet worden war.
Der Rabbi konnte es kaum fassen. Er spielte nervös mit seinen schlanken Fingern. »Die Erzengel offenbaren sich den Menschen?« fragte er leise. »Wie ist das möglich?«
»Durch mein Kreuz«, erwiderte ich.
»Nein, nein.« Er sprang auf, legte die Hände auf die Kante der Rückenlehne und flüsterte plötzlich. »Ja, ich glaube Ihnen. Sie haben schon davon erzählt, und Sie berichteten, dass es sich in Uriels Händen befindet…«
»Das stimmt schon«, sagte ich, »nur ist etwas eingetreten, das mit dem Kreuz nichts zu tun hat. Deshalb möchte ich es auch vorerst aus dem Spiel lassen, wenn Sie verstehen.«
»Und was wäre das?«
»Es geht um drei Männer.« Ich zählte den Oberrabbiner die Namen auf.
»Kennen Sie diese Leute?« Er dachte einen Moment nach.
»Kennen ist zuviel gesagt, ich habe von ihnen gehört.«
»Gutes?« fragte Suko.
Da der Rabbi vor seiner Antwort wieder Platz nahm, gingen wir davon aus, dass er sich die Worte sehr genau überlegte. »So kann man es nicht sehen«, erwiderte er. »Ich möchte keinen Menschen schlecht machen. Es gibt nicht nur schlechte Menschen. Irgendeinen guten Keim besitzt jeder und mag es noch so anders erscheinen. Auch die Männer, die sie erwähnt haben.« Lerner nickte noch, weil er in unsere Gesichter schaute, die ihn sehr ungläubig ansahen.
»Der Rabbi Jobst Spellner war mein Freund!« fuhr er fort. »Nein, er kann nicht auf der anderen Seite gestanden haben. Das will ich einfach nicht glauben.«
»Und die anderen?« fragte Suko.
»Ich kenne sie.«
»Und?«
»Sie kamen nicht mehr in die Synagoge. Sie gehörten zu einer gefährlichen Splittergruppe, die ihren eigenen Weg gehen wollten. Sie wissen, dass es in der jüdischen Historie oft Magie gegeben hat. Damit muss man leben, das sollte man auch vergessen. Leider gibt es auch in unserem Volk Menschen, die sich nicht daran halten und sich von den fremden, uralten Göttern faszinieren lassen.«
»Und dazu gehörten die drei!« forschte ich nach.
»Leider, Mr. Sinclair. Sie gingen den falschen Weg, denn sie beteten auch die falschen Götter an. Sie taten das, was der Stammvater Abraham damals schon verfluchte. Sie tanzten um das goldene Kalb, im übertragenen Sinne.«
»Dann meinen Sie nicht Baal?« fragte ich und dachte dabei an meinen verschwundenen Dolch.
»Nein, den nicht. Ich sprach im übertragenen Sinne. Die drei Männer haben sich von unserer Gruppe gelöst. Sie wollten sich mit Dingen beschäftigen, die man ruhen lassen soll.«
»Welche Dinge waren das?«
»Das Forschen nach dem Geheimnis des Lebens. Dem Stein der Weisen, den angeblich auch, wie Sie sagen, Luzifer besitzt. Sie haben ihm aller
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