Der Flammenengel
einem Hauch oder einem Teil seiner Selbst, vielleicht der Seele, falls er so etwas besitzt…«
Es waren ernste Worte gewesen, und wir schwiegen in den folgenden Sekunden. Bis sich der Rabbi meldete. »Der Untergang ist noch einmal gestoppt worden«, erklärte er. »Ich weiß nun, wozu das Böse fähig ist.«
»Da sagen Sie was«, erwiderte ich. »Deshalb wird es Zeit, dass wir das Übel an der Wurzel packen.«
»Bei Luzifer selbst?« fragte der Rabbi erschreckt.
Ich lachte auf. »Es wäre schön, wenn wir das schaffen könnten, aber daran kann ich leider nicht glauben. Nein, Luzifer ist eine Institution, die ein Mensch wohl niemals zerstören kann. Aber wir können ihn besiegen und zurückwerfen, hoffe ich. Er hat selbst in das Spiel eingegriffen, was mich wiederum wundert, da er sonst seinen Vasallen, Asmodis an der Spitze, den Vortritt gelassen hat.«
»Es geht um dein Kreuz, John, und um einen seiner Urfeinde«, bemerkte Suko. »Das darfst du nicht vergessen.«
Ich nickte. »Das scheinen wohl die einzigen Dinge zu sein, die ihn aus seiner Reserve locken können.«
»Das Übel an der Wurzel packen«, erinnerte mich Suko. »Du weißt, was das bedeutet, John?«
»Sehr genau. Wir müssen zu dieser kleinen Insel.«
»Richtig.«
Beide blickten wir in die Richtung des Rabbi. Moshe Lerner hob die Schultern. »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Den Namen der Insel kenne ich nicht.«
»Sie wird auch keinen haben«, folgerte ich, »da sie nicht wichtig ist, weil sie überschwemmt wird. Wie lange haben ihre Verräter dort ihr Hauptquartier eingerichtet?«
»Vielleicht seit Monaten.«
»Nicht länger.«
»Nein, es war nach der letzten Überschwemmung im Frühsommer. Da kam ja der große Regen.«
Mir fiel wieder ein, dass wir eigentlich zu spät gekommen waren. Inzwischen mussten es die drei Verräter geschafft haben, so unter Luzifers Gewalt zu stehen, dass ihnen nicht einmal Feuer etwas anhaben konnte. Vom Geist des Bösen beflügelt, entstiegen sie sogar als verbrannte Monster den zurückgelassenen Ascheresten. Aber was hatte Luzifer mit ihnen vor? Falls er sie zu etwas einsetzen wollte, wusste dann auch Uriel Bescheid? Möglicherweise hatte er darüber mit Sheila gesprochen. Ich sprach sie darauf an.
»Nein, John, von seinen Dienern hat er mir nichts gesagt, das musst du mir glauben.«
»Leben Sie denn wirklich?« wollte der Rabbi von mir wissen. »Bitte, Mr. Sinclair, Sie haben sich doch nicht getäuscht - oder?«
»Nein, das habe ich nicht. Inspektor Suko und ich sahen, dass sich aus öliger Asche ein Mensch bildete.«
»Ich kann es nicht fassen.« Der Rabbi senkte und schüttelte den Kopf gleichzeitig. »Ich kann es wirklich nicht fassen. Sollte das Böse tatsächlich gesiegt haben?«
»Es hat nicht gesiegt!« widersprach ich hart.
»Wie können Sie das behaupten?«
»Sehen Sie sich um. Die Flammen sind gekommen, und sie haben auch zerstört, aber nicht alles. Sie hätten uns auch vernichten können, wenn Sie verstehen.«
»So sehen Sie das!«
»Ich muss es so sehen.«
Moshe Lerner atmete tief ein. Hinter seiner Stirn überschlugen sich die Gedanken. Wahrscheinlich dachte er an sein zerstörtes Haus, das er wieder richten musste. Die Kirche war noch vorhanden. Sie hatte der Feuersbrunst widerstanden. Möglicherweise waren die Flammen auch an ihr vorbeigehuscht, wir wussten es nicht.
»Ich rechne mit drei Feuerleichen, die durch London irren!« Suko kam wieder auf das Thema zurück.
»Wobei ich nur hoffe, dass sie keine Flammenspur hinterlassen«, flüsterte ich, denn diese Monstren hatten uns ihre Gefährlichkeit hinreichend bewiesen.
»Drei oder zwei«, murmelte Sheila. »Seid ihr euch sicher. Ihr habt doch eine Leiche zerstört.«
»Das stimmt, dann wären es eigentlich nur zwei.«
»Genau, John.«
»Demnach muss der Tote David Sternheim gewesen sein«, folgerte Suko. »Auch ich glaube nicht, dass der Rabbi, der zum Zeitpunkt der Explosion am Sarg gestanden hat, zu einer Feuerleiche geworden ist.«
Der Meinung schlossen sich auch Bill und Sheila an. Sie sagte noch etwas: »Ich werde euch begleiten, denn ich stehe zu Uriel in einem besonderen Verhältnis.«
Wir hatten nichts dagegen, dass sie mitgehen wollte. Der Rabbi war froh, uns loszuwerden. Zum Abschied flüsterte er: »Ich werde für euch beten, Freunde, ich werde für euch beten…«
***
Man hatte zwar keinen Katastrophenalarm gegeben, aber die Feuerwehren der Riesenstadt London waren einsatzbereit. Die wichtigsten
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