Der fliegende Brasilianer - Roman
einer Umkreisung des Eiffelturms absolviert?
Archdeacon glaubt, nicht recht zu hören.
Die anderen Luftfahrer halten den Vorschlag für absurd.
Auch wenn man dabei 100 000 Francs gewinnen kann? erwidert Deutsch de la Meurthe.
Petitsantôs erkundigt sich, ab wann der Preis ausgeschrieben werden soll.
Deutsch de la Meurthe erklärt, der Preis sei ab sofort, mit dieser Versammlung ausgeschrieben und bleibe es so lange, bis jemand diese Tat vollbracht habe.
Die Ballonfahrer lachen über die angebliche Großzügigkeit des Industriellen.
In ihren Augen hat Deutsch de la Meurthe mal wieder seinen Geiz unter Beweis gestellt. Solche Bedingungen zu stellen sei dasselbe wie einen Preis von einer Million Francs für denjenigen auszusetzen, der als Erster seinen Fuß auf den Mond setze.
Petitsantôs ist anderer Meinung, und als Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission setzt er sich vehement dafür ein, den Vorschlag anzunehmen.
Archdeacon beugt sich Petitsantôs’ Redekunst und streckt die Hand aus, um die Abmachung zu besiegeln. Statt seiner Hand reicht Deutsch de la Meurthe ihm einen Scheck über den versprochenen Betrag. Der Präsident des Aéro Club, ein brillanter Finanzier, ergreift den Scheck und beendet das Thema.
Das Geld soll zu vier Prozent angelegt und die Zinsen an denjenigen Luftfahrer ausgezahlt werden, der sich in dem jeweiligen Jahr am meisten hervortut.
Immer in den Park Die Nr. 5 ist 33 Meter lang, hat ein Volumen von 550 Kubikmeter und einen 4-Zylinder-Buchat-Motor mit 16 PS. Da Alberto weiß, dass sein ererbtes Vermögen im Verhältnis zu den steigenden Ausgaben für seine Experimente ziemlich begrenzt ist, stellt der neue Ballon eine Abwandlung der alten, entsprechend ausgeschlachteten Nr. 4 dar.
Und das Luftschiff steigt wie ein Knallfrosch auf und landet doch tatsächlich, statt den Eiffelturm zu umrunden, im Park der Rothschilds!
Die Prinzessin in ihrem Park 13. Juli. Alberto steigt auf, drückt einen Talisman aus Angolaholz in der Hand und stört einen Wohltätigkeitstee, den Madame Baronin Rothschild zugunsten der marokkanischen Waisenkinder gibt.
Eine Nachbarin des Barons wird eifersüchtig.
Was hat der Park der Rothschilds, was meiner nicht hat?
»Senhor Santos Dumont!
Ich schicke Ihnen ein Medaillon des heiligen Benedikt, das vor Unfällen schützt. Nehmen Sie es an, und tragen Sie es an Ihrer Uhrenkette, in Ihrer Brieftasche oder um den Hals. Ich schenke es Ihnen mit dem Gedanken an Ihre gute Mutter und bete zu Gott, dass er Sie immer aus der Not rette und Ihnen helfe, zum Ruhm unseres Vaterlandes zu arbeiten.
Isabel, Gräfin D’Eu«.
Die Kalenderheiligen Goursat findet das Medaillon des heiligen Benedikt grundhässlich.
Für alle Fälle trägt Petitsantôs den heiligen Benedikt an einem goldenen Armband, was die Journalisten fortan mit Begeisterung zur Kenntnis nehmen werden.
Und zum Beweis für den Einfluss des Heiligen stößt die Nr. 5 gegen das Dach des Grand Hôtel de Trocadero. Petitsantôs bleibt in 20 Meter Höhe hängen, und der heilige Benedikt kommt mit der Feuerwehr, um ihn zu retten.
Im Park der Prinzessin Die Miene der Prinzessin ist nie entspannt, aber sie spiegelt ihre Freude über das Geschenk, das der brasilianische Freund ihr mitgebracht hat: Käse aus Minas. Isabel ist so gealtert, wie manche Früchte ihrer Heimat reifen. Sie hat noch eine weiße, glatte, rosige Haut, die ihrem kleinen, fetten und agilen Körper einen mediterranen Einschlag verleiht. Sie ist nie eine schöne Frau gewesen, aber sie besitzt die überschäumende, allerdings durch eine strenge Erziehung in Schranken gehaltene Anmut der Frauen aus Rio.
Alberto gehört zu dem begrenzten Kreis von Brasilianern, die der Mann der Prinzessin in seinem Haus duldet. Der Graf D’Eu hat das Land, dessen Thron ihm durch die Finger gegangen ist, nicht in bester Erinnerung. Und an diesem Vormittag, als er vom Fenster aus den lächerlichen Gnom aus den Tropen eintreffen sieht, findet er zum wiederholten Male bestätigt, wie scheinheilig die Brasilianer sind. Der befrackte Gnom trägt eine leuchtend rote Krawatte, doch ehe er die Füße in sein Haus setzt, tauscht er das widerwärtige republikanische Symbol gegen ein weißes Seidentuch aus.
Winter-Feijoada Dona Isabel klingelt mit dem Silberglöckchen, und die Diener tragen die ersehnte Köstlichkeit herein. Es ist ein Samstag, der Tag, an dem man Feijoada isst, ein brasilianisches Ritual, das die Prinzessin nur selten zelebrieren kann,
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