Der fliegende Weihnachtskater
unterwegs bin, nach ihm schaut. Sie war begeistert.«
»Ihr Vater auch?«
»Ich nehme es an. Sie ist, soweit ich das beurteilen kann, ungeheuer gut darin, ihn um den Finger zu wickeln. Er selbst hat mich zwar nicht daraufangesprochen, aber Janina tauchte an meinem nächsten freien Tag bei mir auf und bat, mit Shardul spielen zu dürfen. Seither hat sie den Schlüssel zur Wohnung. Sie kümmert sich sehr gewissenhaft um den Kater. Ich habe den Eindruck, von ihr akzeptiert er sogar das verschmähte Futter. Und er hat sich – ihren Erzählungen nach – sogar schon mal das Fell bürsten lassen.«
Eva nahm ihr den leeren Kaffeebecher ab. »Ich muss mich wieder um die Passagiere kümmern. Und Janina Ihren Gruß ausrichten, Frau Rosenhag.«
»Ja, tun Sie das. Wenn wir gelandet sind, bringen Sie sie, wenn sie möchte, ins Cockpit. Ich glaube, das würde ihr Spaß machen.«
Als die Stewardess die Tür hinter sich geschlossen hatte, fiel Amita wieder ein, wie sie Remo Schulze zum ersten Mal begegnet war. Natürlich hatte er schnell genug herausgefunden, dass die Mieterin in der obersten Wohnung die Pilotin war, die er mit seinen lockeren Sprüchen nervte. Wie blöd von ihr, ihn sich als einen unrasierten Chauvi vorzustellen, der mit schmierigen Gel-Locken und Goldkettchen um den Hals einherkam. Das hätte zu den Anmachsprüchen gepasst, mit der er sie beim An- und Abflug beglückte. Aber nein, er war ein ansehnlicher Mann, groß, schlaksig, wenn auch irgendwie unfrisiert und in verwaschenen Jeans und Pullover leger gekleidet. Er war eben dabei, Janinas Fahrrad zu reparieren. Und da seine Tochter sie lauthalsbegrüßte, kam sie nicht umhin, ihn ebenfalls kühl zu grüßen. Einen Moment lang hatte er sie fassungslos angestarrt. Und hatte dann gegrinst.
Seine Gedanken hallten so laut in ihrem Kopf wider, dass sie fast spüren konnte, wie ihr lange rosa Ohren und ein Puschelschwanz wuchsen.
»Hi, Bunny-Flight!«, hatte er gemurmelt, und sie war wegstolziert.
Sie begegneten sich selten. Hin und wieder in dem gemeinsamen Waschkeller oder auf der Treppe. Sie grüßte ihn kühl, er grinste sie an. Widerlich.
Nein, eigentlich nicht widerlich. Eigentlich spöttisch. Oder – vielleicht auch herausfordernd?
Wenn sie es recht bedachte, hatte Thomas wohl recht – sie gab ihm jeden Anlass dazu, sie zu foppen. Was hatte sie sich über das rosa Häschen geärgert, das sie vor zwei Wochen in ihrer Waschmaschine vorgefunden hatte! Dumm eigentlich. Die Pralinen, auf denen das Plüschtier saß, waren nämlich ihre Lieblingssorte. Die hatte sie dann doch gegessen. Heimlich, unterwegs, damit noch nicht einmal Janina das sah und es weitererzählte.
Und mit einem Schlag wurde Amita die Komik der Situation klar – sie benahm sich genau so wie ihr unwirscher Kater! Der schlappte sein Leckerchen auch immer heimlich aus.
Fast hätte sie gekichert.
Sollte es auch da Parallelen geben? War das etwa Remos Art, sie zu umwerben? So wie sie bei Shardul versuchte, sein Zutrauen zu gewinnen? Mit Sahne, Leckerbissen, Plüschmäusen und – ja, vermutlich in seinen Ohren lauter dummen Sprüchen.
Autsch!
Remo hatte ihr seine Tochter anvertraut, er schenkte ihr bei An- und Abflug seine höchste Aufmerksamkeit. Und trotz seiner Macho-Sprüche war er ein ganz ausgezeichneter Controller.
Und offensichtlich ein hingebungsvoller Vater.
Mit einer Menge hintersinnigem Humor.
Eigentlich auch nicht unattraktiv.
Und ungebunden.
Und er mochte Katzen.
Dass er ihren entlaufenen Kater wieder eingefangen und sich um ihn gekümmert hatte, wollte sie ihm hoch anrechnen. Auch wenn es Janinas Nachlässigkeit zu verdanken war, dass Shardul ihr durch das offene Fenster entwischt war.
Zwei Wochen war er fort gewesen, und trotz seiner ewig mürrischen Laune hatte sie sich traurig und verlassen gefühlt. An sein trotziges Wesen hatte sie sich schon gewöhnt, und manchmal, so hatte sie den Eindruck, war er auch nahe daran, seine Zurückhaltung aufzugeben. Einmal, hatte sie bemerkt, war er sogar nachts in ihr Bett gekommen. Am Fußende hatte sieein zusätzliches Gewicht verspürt und nicht gewagt, sich zu regen. Ganz, ganz leise hatte es dann geschnurrt.
Außerdem verrieten ihr Spuren von Katzenhaaren in der letzen Zeit, dass er tagsüber manchmal auf ihrer Bettdecke der Ruhe pflegte.
Aber sein Freiheitsdrang war weiterhin groß gewesen, und sie wünschte sich manchmal, eine Wohnung zu haben, die ihm wenigstens einen Auslauf in den Garten gestatten
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